
Infektionsrisikomanagement
06 Mai 2025
Risikomanagement für Medizinprodukte mit Bestandteilen biologischen Ursprungs
Mit Covid 19 und der möglichen Übertragung von Fledermaus auf den Menschen ist das Thema Zoonosen (Übertragung von Krankheitserregern vom Tier auf den Menschen) ins öffentliche Interesse gerückt. Bei Medizinprodukten mit Materialien biologischen Ursprungs ist es notwendig das Infektionsrisiko durch Pathogene zu analysieren und zu bewerten.
Mit der MDR ist der Fokus auf die Anforderungen an die grundlegende Sicherheit und Leistung für Medizinprodukte, zu deren Bestandteilen Materialien biologischen Ursprungs gehören, deutlich gestiegen
Dazu gehören Medizinprodukte,
- die aus abgetöteten tierischen Geweben (Schweineherzklappen) oder Derivaten daraus (Kollagen, Gelatine, Chondroitinsulfat, Glycerin) hergestellt wurden.
- bei deren Herstellung Ausgangsmaterialien, wie z.B. Rinderserumalbumin, verwendet wurden
- die aus abgetöteten menschlichen Geweben oder Zellen hergestellt wurden (außer Transplantate, Gewebe und Zellen, die durch die Richtlinie 2004/23 abgedeckt werden).
- die aus anderen nicht lebensfähigen biologischen Stoffen (Pflanzen, Zellkulturen) hergestellt wurden.
Diese Zellkulturen können selbst tierischen oder menschlichen Ursprungs sein oder benötigen für ein optimales Wachstum tierische Materialien (z.B. fötales Kälberserum, Trypsin vom Schwein).
Gefährdung durch Pathogene und biologische Unverträglichkeit
Für jedes Medizinprodukt, zu dessen Bestandteilen Materialien biologischen Ursprungs gehören, muss laut Anhang I der MDR die Sicherheit in Bezug auf die Übertragung von Pathogenen (Erreger der übertragbaren spongiösen Enzephalopathie (TSE), Viren, Bakterien, Hefen, Pilze, Parasiten) und andere Krankheitsverursacher (z.B. Toxine) und die Gefährdung durch biologische Unverträglichkeit bewertet werden. Dies gilt auch für Medizinprodukte, die nur teilweise aus diesen Materialien bestehen oder mit ihnen während der Herstellung in Kontakt gekommen sind.
Es soll gewährleistet werden, dass das Risiko einer Übertragung von infektiösen Erregern und einer möglichen Gefährdung durch biologische Unverträglichkeiten durch die Verwendung von biologischem Material so gering wie möglich ist.

Diese spezielle Risikobewertung ergänzt die Risikobewertung nach ISO 14971 und ISO 10993-1. Sie identifiziert und analysiert die Wahrscheinlichkeit der Übertragung von übertragbaren Pathogenen und einer möglichen Gefährdung durch biologische Unverträglichkeiten. Sie definiert Risikominimierungsmaßnahmen und überwacht das Risiko sowie die Wirksamkeit der Risikokontrolle.
Dazu gehört die
- Evaluierung des Risikos durch die Herkunft, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Prüfung, Behandlung, Lagerung und Verteilung des Materials,
- Entfernung oder Inaktivierung von übertragbaren Erregern im Verlauf des Herstellungsprozesses,
- Rückverfolgbarkeit und ein spezielles Risikomanagement sowie
- zusammenfassende Restrisikobewertung einschließlich eines Bewertungsberichts.
Dieses spezielle Risikobetrachtung ist wichtig, da die Patientinnen und Patienten unter Umständen immunsupprimiert sind, nicht natürliche Infektionswege durch die Verwendung des Medizinproduktes beschritten werden und es für einige übertragbare Erreger nur wenig oder gar keine Therapiemöglichkeiten gibt. Im Falle von TSE führt eine Infektion der Patientin oder des Patienten immer zum Tod.
ISO 22442 Normenserie
Die ISO 22442 Normenserie beschreibt die Anforderungen und Anleitungen für das Risikomanagement in Bezug auf typische Gefährdungen von Medizinprodukten, hergestellt unter Verwendung von Materialien tierischen Ursprungs, die nicht lebensfähig sind oder abgetötet wurden. Ergänzend dazu gelten weitere Verordnungen, Richtlinien und Leitlinien.
Für Medizinprodukte, hergestellt unter Verwendung von Materialien menschlichen Ursprungs, die nicht lebensfähig sind oder abgetötet wurden, oder andere biologische Stoffe gibt es keine Normen. Die Risikobewertung erfolgt daher in Anlehnung an die gesetzlichen Anforderungen und Leitlinien für Arzneimittel und biotechnologisch hergestellte Produkte. In der EU ist erst letztes Jahr dazu eine neue Verordnung in Kraft getreten:
Verordnung (EU) 2024/1938 bzw. Richtlinien 2004/23/EG und 2002/98/EG
Die Verordnung (EU) 2024/1938 hebt die Richtlinien 2004/23/EG und 2002/98/EG auf und spezifiziert die Anforderungen für Spende, Beschaffung, Testung, Rückverfolgbarkeit und Verantwortlichkeiten bei Materialien menschlichen Ursprungs, die nicht lebensfähig sind oder abgetötet wurden.
Mit uns schließen Sie Ihre Datenlücken
Als gesetzlicher Hersteller der Medizinprodukte sind Sie für die Risikoanalyse, Risikominimierung, Risikokontrolle und Bewertung des (Rest-)Risikos verantwortlich. Unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie bei ihrem Risikomanagement und schätzen gemeinsam mit Ihnen den Aufwand richtig ein.
Anforderungen des Risikomanagements
Der Aufwand für das Risikomanagement von Medizinprodukten, zu deren Bestandteil biologische Materialien gehören, richtet sich nach der Art des biologischen Materials, dessen Quelle, Herkunft, der Verarbeitung und dem Verwendungszweck des Medizinproduktes. Die geplante Vermarktung der Produkte ist ohne spezielles Risikomanagement und Bewertung der Sicherheit gemäß MDR Anhang I gefährdet.
In unserer Beitragsreihe zum Thema „Risikobewertung von Zoonosen“ fassen wir deswegen für Sie zusammen, welche Daten Sie zur Herkunft, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Prüfung, Behandlung, Lagerung und Verteilung des Materials sammeln und auswerten müssen, welche Qualitätsanforderungen beachtet werden müssen, wie umfangreich eine Literaturrecherche sein sollte und mit wie viel Zeit bis zu einer abgeschlossenen Risikobewertung gerechnet werden muss.
Definitionen und Beispiele
Tier:
jedes Wirbel- oder wirbellose Tier einschließlich Amphibie, Arthropode (z.B. Krustentier), Vogel, Koralle, Fisch, Reptil, Molluske und Säugetier

Gewebe:
Schweine-Herzklappen, Rinderknochen, Ligamente von Rindern und Rinderperikard, Blut
Derivate:
Chrondroitinsulfat, Kollagen, Gelatine, Antikörper, Hyaluronsäure, Talg, Blutprodukte (z.B. Serum), Lactose, Lanolin, Aminosäuren
Andere nicht lebensfähige biologische Stoffe:
Mikroorganismen, Zellkulturen
Unsere Beitragsreihe geht weiter
Möchten Sie gerne mehr zum Thema erfahren? Welche Anforderungen Sie bei der Risikobewertung von Medizinprodukten, zu deren Bestandteilen Materialien biologischen Ursprungs gehören, erfüllen müssen, lesen Sie im 2 Teil unserer Beitragsserie zum Thema „Zoonose“.