
Sterilisation mittels Gammabestrahlung
Grundlagen, Ablauf und Bedeutung in der Medizintechnik
Die Sterilisation von Medizinprodukten mit Gammabestrahlung ist ein etabliertes Verfahren. Das Verfahren ist in anderen Industriezweigen von wichtiger Bedeutung, insbesondere in der Pharma-, Lebensmittel- und Kosmetikbranche. Sie ist insbesondere für temperaturempfindliche und komplexe Produkte geeignet.
Methoden der Strahlensterilisation
Zur Sterilisation mit elektromagnetischer Strahlung werden folgende Methoden eingesetzt:
- UV-Strahlung – nur oberflächlich wirksam.
- eBeam (Elektronenstrahlen) – hohe Leistung, begrenzte Eindringtiefe.
- Röntgenstrahlung (X-ray) – hohe Leistung, mittlere Eindringtiefe.
- Gamma-Strahlung– tief eindringend, hochenergetisch, universell einsetzbar.
Wie funktioniert Sterilisation mit Gammastrahlung?
Die Sterilisationsmethode nutzt hochenergetische, ionisierende Gammastrahlen. Diese Strahlung zerstört organische Verbindungen, z.B. DNA, Enzyme, Verbindungen der Zellmembran, und dadurch Zellstrukturen von Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilzen und Sporen – wodurch diese abgetötet oder deaktiviert werden.
Die Strahlendosis, d.h. die Energiemenge, die pro Kilogramm Material durch ionisierende Strahlung absorbiert wird, wird in Kilogray (kGy) angegeben.
- Typischer Dosisbereich:
- 15–25 kGy für Produkte mit niedriger mikrobieller Ausgangsbelastung (z. B. Lebensmittelverpackungen, Kosmetika)
- 25–40 kGy für medizinische Einmalartikel, Pharma-Verpackungen
- bis 50 kGy bei besonders resistenten Sporen oder keimintensiven Ausgangsmaterialien
Dosisgenauigkeit:
Eine homogene Dosisverteilung im gesamten Produktvolumen ist essenziell und wird in der Validierung durch die Dosiskartierung überprüft. Üblicherweise streut die Dosis um ±10–20 % innerhalb einer Charge
Welche Produkte werden mit Gammastrahlung sterilisiert?
- Einwegartikel aus Kunststoff, z.B. Spritzen, Katheter, Dialyseschläuche
- Implantate, z.B. Hüft- oder Knie-Gelenkprothesen, Zahnimplantate
- Chirurgische Instrumente, Ein- und Mehrweg, z.B. Skalpelle, Scheren, Pinzetten
- Verbrauchsmaterialien für Wundversorgung, z.B. Wundauflagen, Kompressen
- Vorkonfigurierte Zusammenstellungen, z.B. OP-Sets, Diagnostik-Kits
Ablauf der Sterilisation
- Erzeugung der Strahlung: Die Gammabestrahlung basiert auf der Anwendung hochenergetischer Photonen (Gammastrahlen), die durch den radioaktiven Zerfall von Isotopen (insbes. Cobalt-60) freigesetzt werden. Diese Strahlung besteht aus Photonen mit festen Energieniveaus von 1,17 MeV und 1,33 MeV, was eine besonders hohe Durchdringungskraft ermöglicht.
- Transport der Produkte in der Bestrahlungskammer Die Produkte, die sterilisiert werden sollen, werden in geeigneten Behältern oder auf Paletten in die Bestrahlungskammer eingebracht. Je nach Anlagentyp und Strahlquellenanordnung gibt es zwei Hauptansätze:
- Rotationssysteme: Die Produkte kreisen um die Strahlenquelle, um eine gleichmäßige Dosis von allen Seiten zu erhalten.
- Transportsysteme: Die Produkte durchlaufen das Strahlungsfeld linear oder in Schleifen, während die Quelle zentral oder seitlich positioniert ist.
Wechselwirkung mit dem Produkt
Beim Auftreffen auf das Produkt durchdringen die Photonen mühelos Verpackung, Materialschichten und selbst komplexe Geometrien. Die sehr hohen Energien führen zu Wechselwirkungen, Emission von Sekundärstrahlung, zur Bildung von reaktiven Spezies wie freien Radikalen. Da dadurch nicht nur biologisches Material angegriffen wird, ist zu prüfen, ob auch die Produktmaterialien ungünstige Veränderungen erfahren, d.h. die Stabilität der Produkte ist unbedingt zu untersuchen.
Validierungsverfahren
Die PQ-Phase (Performance Qualification) der verschiedenen Validierungsverfahren gemäß ISO 11137 dient dem Nachweis, dass die gewählte Sterilisationsdosis in der Lage ist, die geforderte Sterilitätssicherheit (SAL≥10-6) unter seriellen Bedingungen zuverlässig zu erreichen.
Die häufig genutzte VDmax-Methode beruht darauf, dass ein zuvor festgelegter, maximaler Standard-Dosiswert (VDmax) verwendet wird, der auf einer initialen Keimbelastung (Bioburden) basiert. Zunächst wird durch eine Dosisverifikation überprüft, ob die gewählte VDmax-Dosis ausreicht, um eine mikrobielle Reduktion auf ein akzeptables Sterilitätsniveau zu erreichen. Hierzu werden mehrere Produktproben mit einer Prüfstrahlendosis behandelt, die unterhalb der VDmax liegt, um so die konservative Eignung der maximalen Dosis zu testen. Nach der Bestrahlung wird die Anzahl unsterilen Produkte ermittelt. Wenn die Anzahl der positiven Tests innerhalb definierter Grenzen liegt, gilt die gewählte Dosis als geeignet.
In der PQ-Phase wird zudem gemessen, wie die Strahlung im Sterilgut verteilt (Does Mapping) wird und ob die tatsächliche Strahlenanwendung im Routinebetrieb mit den Validierungsergebnissen übereinstimmt. Es werden Produktionschargen bestrahlt und auf Sterilität untersucht.
Vorteile der Gammabestrahlung
1. Tiefe Durchdringung
- Gamma-Strahlen durchdringen auch dichte und mehrlagige Materialien sowie verpackte Paletten.
- Ideal für Produkte mit komplexer Geometrie oder hoher Dichte.
2. Gleichmäßige Bestrahlung
- Die Strahlung wirkt omnidirektional – eine rotationsfreie Behandlung ist möglich.
- Kein Umlagern der Produkte erforderlich.
3. Bewährte, robuste Technologie
- Jahrzehntelang im industriellen Einsatz.
- Weltweit verfügbarer Standard, hohe Prozesssicherheit.
4. Chemiefrei und temperaturunabhängig
- Keine Rückstände oder Temperaturbelastung.
- Auch für empfindliche Materialien geeignet.
5. Batch-Sterilisation für große Volumina
- Große Chargen (z. B. ganze Paletten) können auf einmal sterilisiert werden.
- Logistische Vorteile in der Serienproduktion.
Fazit
Die „Gamma-Sterilisation“ ist ein bewährtes, leistungsstarkes Verfahren zur Sterilisation großer Produktmengen, insbesondere bei komplexen oder dichten Materialien. Sie punktet mit tiefer Eindringwirkung und gleichmäßiger Bestrahlung. Trotz Herausforderungen wie der Handhabung radioaktiver Quellen bleibt sie ein zentraler Baustein moderner Sterilisationsstrategien.