
Klinische Bewertung nach MDR für Endoskopie-Geräte und Zubehör: Anforderungen, Herausforderungen und Praxistipps
Einleitung
Kaum ein bildgebendes Verfahren hat die moderne Medizin so geprägt wie die Endoskopie – von Bozzinis Lichtleiter bis zu hochspezialisierten Systemen für Diagnose und Therapie in zahlreichen Fachdisziplinen.
Mit der Einführung der EU-Medizinprodukteverordnung (MDR 2017/745) hat sich das regulatorische Umfeld für Hersteller von Endoskopie-Geräten und Zubehör grundlegend verändert. Die klinische Bewertung ist nicht mehr nur eine Formalität, sondern ein zentraler Nachweis für die Sicherheit und klinische Leistung eines Produkts – und das über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg.
In diesem Beitrag beleuchten wir, worauf es bei der klinischen Bewertung von Endoskopen und deren Zubehör ankommt, welche typischen Fallstricke zu vermeiden sind und wie Hersteller eine regelkonforme und praxistaugliche Umsetzung sicherstellen können.
- Allgemeine Anforderungen der MDR an die klinische Bewertung
- Produktspezifische Anforderungen bei Endoskopen
- Innovative Entwicklungen und deren Einflüsse auf die Klinische Bewertung
- Typische Fallstricke in der Praxis
- Herausforderung
- Empfehlungen für eine erfolgreiche Umsetzung
- Fazit
- Unsere Unterstützung für eine erfolgreiche klinische Bewertung nach MDR
Allgemeine Anforderungen der MDR an die klinische Bewertung
Gemäß MDR Artikel 61 und Anhang XIV Teil A müssen Hersteller eine systematische klinische Bewertung durchführen, die auf klinischer Evidenz basiert und die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR) gemäß Anhang I adressiert. Für Endoskope gelten diese Anforderungen vollumfänglich, da es sich i.d.R. um Klasse IIa bis III Produkte handelt.
Hersteller müssen alle relevanten klinischen Daten – einschließlich Literaturquellen, technischer Tests und Anwendererfahrungen – systematisch analysieren und im Clinical Evaluation Report (CER) dokumentieren.
Wichtig:
- Eigenständige klinische Bewertung für Zubehör, wenn dieses eine medizinische Zweckbestimmung hat oder relevante Sicherheitseigenschaften beeinflusst.
- Nachweispflicht für bspw. biologische Sicherheit, funktionelle Sicherheit, mechanische Integrität, Bildqualität.
- Unabhängig davon, ob es sich um ein "wiederverwendbares" oder "Einmal-" Endoskop handelt.
Produktspezifische Anforderungen bei Endoskopen und Zubehör
Endoskope sind komplexe Systeme mit vielfältigen Einsatzgebieten – von der Diagnostik bis zur Therapie. Daraus ergeben sich besondere Anforderungen an die klinische Bewertung:
Vielfalt an Anwendungen:
Endoskope finden in einer Vielzahl von medizinischen Anwendungsbereichen Verwendung. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen flexiblen Endoskopen, wie sie etwa in der Gastroenterologie bei Gastroskopien oder Koloskopien eingesetzt werden, und starren Endoskopen, die beispielsweise in der Arthroskopie oder Laparoskopie zur Anwendung kommen. Ergänzt werden diese Instrumente durch ein breites Spektrum an Zubehörteilen. Dazu zählen unter anderem Lichtquellen, Werkzeuge wie Greifer, Zangen, Schlingen, Clips oder Injektionsgeräte, Hochfrequenz- oder Lasergeneratoren und -sonden, Ultraschallsonden, Ballons, etc. Endoskope dienen sowohl diagnostischen als auch therapeutischen Zwecken. So ermöglichen beispielsweise spezielle Kanäle die Entnahme von Gewebeproben oder die Einführung von Instrumenten zur Behandlung. Darüber hinaus variiert der Einsatz je nach zu untersuchendem Körperbereich oder -organ, wie etwa in der Gastroenterologie, Urologie oder Gynäkologie, wobei jeweils verschiedene Körperhöhlen über unterschiedliche natürliche oder chirurgische Körperöffnungen zugänglich gemacht werden.
Kontakt mit kritischem Gewebe und Flüssigkeiten:
Wiederverwendbare Endoskope unterliegen besonders hohen Anforderungen hinsichtlich Aufbereitung, hygienischer Sicherheit, Materialbeständigkeit, Biokompatibilität und mikrobiologischer Unbedenklichkeit. Die Validierung der Aufbereitungsverfahren ist integraler Bestandteil der klinischen Bewertung und muss auch unter realistischen Worst-Case-Bedingungen erfolgen – etwa unter Berücksichtigung wiederholter Aufbereitungszyklen und praxisnaher Verschmutzungsszenarien. Im Rahmen der Risikoanalyse sind insbesondere mikrobiologische Risiken, einschließlich möglicher Kreuzkontaminationen zwischen Patienten, systematisch zu identifizieren und zu bewerten.
Zubehör: Werkzeuge wie Greifer, Zangen, Schlingen, Energie- und Lichtquellen, etc.
Eine eindeutige Definition, welche Komponenten zum Basissystem gehören und welches Zubehör separat bewertet werden muss, ist entscheidend für die Vollständigkeit der klinischen Bewertung. Ein technisches Dossier mit klarer Abgrenzung erleichtert die Konformitätsbewertung durch Benannte Stellen. Besteht ein Produkt aus Basissystem und Zubehör, sind zusätzliche technische und klinische Nachweise erforderlich, um Sicherheit und Leistung zu belegen. Zubehör mit medizinischem Zweck muss entweder separat bewertet oder vollständig in das System integriert und entsprechend dokumentiert werden. Unabhängig von der Integration unterliegt Zubehör stets den Anforderungen der MDR. Die klinische Bewertung ist risikobasiert und muss produktspezifisch erfolgen – je nach Anwendung und Risikoklasse, in der Regel Klasse IIa bis III.
Innovative Entwicklungen und deren Einflüsse auf die Klinische Bewertung
Die Methoden und Technologien der Endoskopie entwickeln sich kontinuierlich weiter. Aktuelle Trends, die in der klinischen Bewertung berücksichtigt werden müssen, umfassen:
- Integration von KI-gestützten Diagnosesystemen
- Hochauflösende Bildgebungstechnologien
- Drahtlose Kapselendoskopie
- Robotergestützte Systeme
Typische Fallstricke in der Praxis
Unzureichende klinische Daten:
Gerade im Bereich der Endoskopie sind viele Geräte seit Jahren oder sogar Jahrzehnten am Markt etabliert, was häufig dazu führt, dass aktuelle klinische Daten fehlen oder schwer zugänglich sind. Viele Hersteller stützen sich auf historische Daten oder auf Gleichwertigkeit mit Konkurrenzprodukten – ein Vorgehen, das unter der MDR nur noch sehr eingeschränkt zulässig ist. Ohne Zugang zu den technischen Daten des Vergleichsprodukts ist ein Gleichwertigkeitsnachweis oft nicht haltbar.
Hinzu kommt, dass in der wissenschaftlichen Literatur häufig keine klare oder vollständige Benennung der verwendeten Gerätschaften und Zubehörteile erfolgt, was eine gezielte Identifikation und Zuordnung zu konkreten Produkten erschwert. Zudem fehlen oft Vergleichsstudien, da sich viele endoskopische Techniken über Jahre etabliert haben und klinisch weit verbreitet sind – ohne dass systematische Leistungs- oder Sicherheitsvergleiche mit aktuellen Produkten dokumentiert wurden. Die Recherche nach belastbaren klinischen Daten wird dadurch erheblich erschwert.
Kontextabhängiger Nutzen von Instrumenten:
Endoskopische Instrumente und Zubehörteile sind primär Werkzeuge – ihr tatsächlicher klinischer Nutzen lässt sich nur im Zusammenhang mit der spezifischen Anwendung oder Prozedur bewerten. Eine isolierte Betrachtung ist daher oft nicht zielführend. Das macht es umso wichtiger, die klinischen Daten im Kontext der jeweiligen Indikation und des Einsatzszenarios zu betrachten.
Herausforderung: Definition von Leistungs-, Sicherheits- und Benefit/Risk-Akzeptanzkriterien:
Ein häufig unterschätzter, aber entscheidender Aspekt der klinischen Bewertung ist die klare Definition und Diskussion von Akzeptanzkriterien für Leistung, Sicherheit und Nutzen/Risiko-Verhältnis – wie sie gemäß dem Stand der Technik (State of the Art, SOTA) gefordert werden. Gerade bei komplexen Systemen wie Endoskopen kann dies schwierig sein, da die Bewertung stark vom individuellen Anwendungsumfeld, der Nutzererfahrung und der klinischen Routine abhängt. Dennoch müssen diese Kriterien nachvollziehbar und produktbezogen formuliert werden, um regulatorisch belastbare Aussagen zur klinischen Sicherheit und Leistungsfähigkeit zu ermöglichen. Ihre unzureichende Berücksichtigung stellt einen häufigen Schwachpunkt in vielen Bewertungen dar.
Nicht validierte Aufbereitungsprozesse:
Ein häufiger Fehler: Die Reinigungsvalidierung erfolgt isoliert und nicht unter Einbezug in die klinische Bewertung. Materialermüdung, Rückstände oder mikrobielle Risiken bleiben so unbewertet.
Unklare Abgrenzung von Zubehör vs. Basissystem:
Was gehört zum System? Was ist Zubehör? Diese Fragen werden oft zu unklar beantwortet, was zu lückenhaften Bewertungen führt – und damit zu Rückfragen oder Ablehnungen durch Benannte Stellen.
Vernachlässigung von Anwender-Feedback / PMS-Daten:
Das Post-Market Clinical Follow-up (PMCF) ist ein integraler Bestandteil der Bewertung. Standardisierte Formulare (generische, nicht produktspezifische Fragebögen oder Vorlagen, die unabhängig von Produkttyp oder Risikoklasse erstellt wurden) reichen nicht aus – gefragt sind produkt- und risikoangepasste Datenerhebungen, etwa zur Bildqualität, Defektrate, oder Anwenderfeedback.
Sichern Sie sich regulatorische Sicherheit –
Starten Sie jetzt mit einer strukturierten, MDR-konformen klinischen Bewertung Ihrer Endoskope und Zubehörsysteme. Unser Expertenteam unterstützt Sie bei Methodik, Datenstrategie und PMCF – praxisnah, effizient und evidenzbasiert.
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Empfehlungen für eine erfolgreiche Umsetzung
Verwende strukturierte Vorgehensweise:
Ein Clinical Evaluation Plan (CEP) sorgt für Klarheit über die Methodik, Literaturstrategie, Auswahlkriterien, Leistungsparameter sowie geplante eigene klinische Prüfungen (z. B. Leistungsdaten, Anwendungsbeobachtungen) und PMCF-Maßnahmen. Der Clinical Evaluation Report (CER) baut logisch auf dem CEP auf und dokumentiert die Ergebnisse.
Ein strukturierter Evaluierungsprozess stellt sicher, dass alle Schritte der klinischen Bewertung nachvollziehbar und konsistent durchgeführt werden. Dazu gehört die Entwicklung eines robusten Protokolls für die Literaturrecherche, das klare Kriterien für die Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Quellen definiert. Alle Bewertungsschritte werden systematisch dokumentiert, um Transparenz und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Darüber hinaus werden regelmäßige Updates der klinischen Bewertung vorgenommen, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeitnah zu integrieren.
Ein PMS/PMCF-Plan ermöglicht eine gezielte Planung zur systematischen Erhebung und Ergänzung fehlender Daten, um kontinuierlich neue Erkenntnisse zu gewinnen und das Produkt kontinuierlich zu überwachen.
Eigene Daten zum Produkt verwenden, Verzicht auf Gleichwertigkeit:
Wenn Gleichwertigkeitsnachweise nicht möglich sind, sollte die Erhebung eigener Daten (z. B. Anwendungsbeobachtungen, Leistungsstudien, Benutzerfeedback) priorisiert werden.
Akzeptanzkriterien frühzeitig definieren:
Für eine belastbare klinische Bewertung sollten die Leistungs-, Sicherheit- sowie Benefit/Risk-Akzeptanzkriterien bereits im Clinical Evaluation Plan (CEP) klar definiert werden – orientiert am aktuellen Stand der Technik (State of the Art, SOTA). Diese Kriterien bilden die Grundlage für die Bewertung der klinischen Daten und müssen spezifisch, messbar und produktspezifisch sein. Eine frühzeitige Festlegung hilft nicht nur bei der strukturierten Datenanalyse, sondern erhöht auch die Transparenz gegenüber benannten Stellen und reduziert das Risiko regulatorischer Beanstandungen.
Integration aller Komponenten:
Bewerten Sie das System modular, aber integriert: Endoskop, Kamera, Lichtquelle, Zubehör – alles, was sicherheits- oder leistungsrelevant ist, muss klinisch berücksichtigt werden.
Zusammenarbeit mit Kliniken/Endanwendern:
Es ist wichtig, frühzeitig Feedback einzuholen, da dies entscheidend für die Erhebung realer Leistungsdaten ist, insbesondere in Bezug auf Bildqualität und Handhabung.
Realistische PMCF-Strategien:
Anwenderbefragungen, Rückläuferanalysen, Leistungsprotokolle oder Vigilanzdaten können wertvolle Hinweise auf reale Sicherheits- und Leistungsaspekte geben – vorausgesetzt, sie werden systematisch ausgewertet.
Eine umfassende Datenerhebung bildet die Grundlage für fundierte Bewertungen und Entscheidungen. Dabei wird gezielt Real-World-Evidence integriert, um die tatsächliche Anwendung und Wirksamkeit eines Produkts im Alltag besser zu verstehen. Zudem fließen Daten aus der Post-Market-Surveillance in die Analyse ein, um sicherheitsrelevante Aspekte nach der Markteinführung zu berücksichtigen. Ergänzend werden Rückmeldungen von Anwendern sowie praktische Markterfahrungen systematisch ausgewertet, um ein vollständiges Bild der Produktperformance zu erhalten.
Qualifiziertes Evaluierungsteam:
Ein qualifiziertes Evaluierungsteam wird durch die gezielte Zusammenstellung eines multidisziplinären Teams sichergestellt. Dabei wird darauf geachtet, dass alle Mitglieder über die erforderlichen Qualifikationen gemäß den MEDDEV-Leitlinien verfügen. Um die Qualität der Bewertungen langfristig zu gewährleisten, wird zudem auf eine kontinuierliche Weiterbildung des Teams großer Wert gelegt.
Fazit:
Die MDR-konforme klinische Bewertung von Endoskopen und ihrem Zubehör stellt Hersteller vor anspruchsvolle Aufgaben – insbesondere in Bezug auf Datenqualität, Systemintegration und eine durchdachte PMCF-Strategie. Wer regulatorisch bestehen will, braucht ein strukturiertes Vorgehen, belastbare eigene Daten und ein tiefes Verständnis für die klinischen Einsatzszenarien.
Eine evidenzbasierte, nachvollziehbar dokumentierte Bewertung ist der Schlüssel zum Erfolg. Insbesondere hygienische Anforderungen, die Integration aller Komponenten sowie eine konsequent umgesetzte PMCF-Strategie sind essenziell für die MDR-Konformität.
Angesichts eines dynamischen Weltmarkts mit einem erwarteten Wachstum auf 75,9 Milliarden US-Dollar bis 2027 gewinnt die klinische Bewertung weiter an Bedeutung. Die Anforderungen sind komplex – aber mit frühzeitiger Planung, realistischer Risikobewertung und systematischer Datengenerierung gut zu bewältigen.
Unsere Unterstützung für eine erfolgreiche klinische Bewertung nach MDR
Als erfahrene Spezialist:innen für die klinische Bewertung von Endoskopen kennen wir die komplexen Anforderungen der MDR im Detail. Wir unterstützen Hersteller dabei, diese regulatorischen Herausforderungen sicher und effizient zu meistern – mit tiefgreifender Expertise, praxisorientierten Lösungen und einem klaren Fokus auf Konformität.
Unsere Expert:innen im Bereich Clinical Affairs begleiten Sie umfassend entlang des gesamten Bewertungsprozesses: von der strategischen Planung und Konzeption über die strukturierte Durchführung und fundierte Auswertung bis hin zur transparenten Dokumentation und kontinuierlichen Aktualisierung. Zu unseren Leistungen gehören unter anderem die Erstellung und Review von CEP/CER, die Entwicklung von Literaturrecherchestrategien, das Design und die Auswertung von Anwendungsbeobachtungen sowie die Planung von PMCF-Maßnahmen. So stellen wir sicher, dass Ihre klinische Bewertung nicht nur den MDR-Anforderungen entspricht, sondern auch zukunftssicher und nachvollziehbar aufgebaut ist – für langfristige regulatorische Sicherheit.