Die Risikobewertung von Zoonosen
04. Mai 2023und die Literaturrecherche nach ISO 22442-3
Der Umfang der Literaturrecherche und der benötigten Daten hängt von der Quelle und der Herkunft des tierischen Materials, dem Umfang des Herstellungsprozesses und dem Verwendungszweck des Medizinproduktes ab. Die Prüfung der Entfernung und Inaktivierung von Bakterien, Hefen und Pilzen kann bereits durch die normativen Anforderungen an die Sterilisation abgedeckt sein. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. Verfahren zur Prüfung zur Entfernung und Inaktivierung von Parasiten sind nicht normativ beschrieben. Sollte die Literaturrecherche Datenlücken ergeben, müssen diese durch validierte Studien gefüllt werden.
Wer führt die Recherche durch?
Die Literaturrecherche soll von Personen durchgeführt werden, die auf dem betreffenden Gebiet angemessen qualifiziert sind, den Stand der Technik kennen und in der Lage sind, Objektivität zu beweisen.
Wie läuft die Recherche ab?
Die Literaturrecherche beginnt mit der Planung, die in einem Bericht festgehalten wird. Der Literaturrechercheplan beschreibt die Methodik, das Ziel, die verwendeten Datenquellen und den Zeitraum. Es werden die Stichpunkte und Akzeptanzkriterien definiert, mit denen die Datenquellen nach Informationen durchsucht werden. Die Akzeptanzkriterien beinhalten die Relevanz, Äquivalenz und Qualität der Treffer aus der Literaturrecherche mit Bezug auf den Herstellungsprozess für das betreffende Medizinprodukt. Es sollten auch Kriterien definiert werden, nach denen eine Literaturstelle von der Evaluierung ausgeschlossen wird (Ausschlusskriterien, außerhalb der Spezifikation).
Welche Datenquellen können herangezogen werden?
Als Datenquellen können z.B. medizinische und paramedizinische Datenbanken (PubMed, Livivo), technische Publikationen relevanter Normenausschüsse, graue Literatur und andere nicht veröffentlichte Quellen von Expertinnen und Experten dieses Gebiets verwendet werden.
Welche Daten sind für die Recherche relevant?
Zur Definition der Stichpunkte für die Literaturrecherche sollte jeder einzelne Herstellungsschritt – angefangen beim Tier, dessen Herkunftsland, dem Land der Schlachtung / Prozessierung über Transportbedingungen und die einzelnen Verfahrensschritte bis hin zur Sterilisation mit Blick auf mögliche Kontaminationen mit Erregern und Inaktivierung / Entfernung von Erregern – betrachtet werden.
Sollten die Tiere im selben Land geboren, aufgewachsen, geschlachtet und verarbeitet werden, ist der Aufwand der Recherche mit Blick auf den Infektionsstatus auf dieses eine Land begrenzt und der Zeitaufwand hält sich in Grenzen (durchschnittlich wenige Tage bis eine Woche).
Kommen die Tiere aus mehreren Ländern oder werden nach der Geburt in einem anderen Land aufgezogen und dann zur Schlachtung und weiteren Prozessierung in weitere Länder gebracht, muss für jedes dieser Länder der Infektionsstatus betrachtet und das damit zusammenhängende Risiko bewertet werden. Damit erhöht sich der materielle und zeitliche Aufwand erheblich. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Angaben zu den meldepflichtigen Infektionen in der WAHIS-Datenbank der WOAH nicht aktuell sind und daher durch Recherchen in anderen Datenbanken ergänzt werden müssen. Zum anderen sind auch die nicht meldepflichtigen Infektionen von Bedeutung. Für die Risikobewertung ist auch der Zeitraum der Veröffentlichungen relevant und richtet sich nach verschiedenen Faktoren, wie der Überlebensfähigkeit von Erregern im Umfeld der Tiere sowie der Stabilität und Lagerung der Medizinprodukte, bis sie mit den Patientinnen und Patienten in Kontakt kommen.
Jeder einzelne Schritt des Herstellungsverfahrens kann die Inaktivierung und Entfernung von übertragbaren Erregern bewirken (z.B. Temperatur während des Transports, Konzentration und pH von alkalische / sauren Lösungen sowie die Dauer des Kontakts mit dem (Zwischen-)Produkt). Daher sollten Sie die Bedingungen bei jedem Herstellungsverfahrensschritt und die Konsistenz der (Zwischen-)Produkte sehr genau kennen – auch wenn dieser Herstellungsverfahrensschritt bei Ihren Lieferanten und Zulieferern stattfindet. Wenn Sie wissen, welche Herstellungsverfahrensschritte (pH der eingesetzten Lösungen, hohe / sehr niedrige Temperaturen) die für Ihr Medizinprodukt relevanten Erreger inaktivieren und entfernen, können Sie daraus die Stichpunkte für die Literaturrecherche zur Inaktivierung und Entfernung von übertragbaren Erregern ableiten. Dabei sollten Sie beachten, die Wirksamkeit jedes Herstellungsverfahrensschritt zu addieren, um die Gesamteffektivität der Inaktivierung und Entfernung übertragbare Erreger während des gesamten Herstellungsverfahrens zu bestimmen. Für die Zulassung in der EU muss mindestens eine Logstufenreduzierung von 4 erreicht werden.
Wie aufwendig ist die Recherche?
Der Zeitaufwand steigt parallel zur Anzahl der definierten Stichpunkte und der Trefferzahl. Selbst wenn eine Vorevaluierung der Literaturstellenrelevanz anhand der Zusammenfassungen erfolgt, kann die Literaturrecherche mehrere Tage bis mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Es ist wichtig, die Daten aus der Literaturrecherche kritisch zu evaluieren – und dies zu dokumentieren. Dafür reicht eine Evaluierung der Informationen in den Zusammenfassungen der Literaturstellen häufig nicht aus. Sie sollten daher zumindest die als relevant definierten Literaturstellen als Volltext vorliegen haben. Damit erhöht sich der Zeitaufwand erneut.
Weiterhin kann auch der Kostenaufwand schnell das für die Risikobewertung definierte Budget überschreiten, da die meisten Literaturstellen nicht kostenfrei zur Verfügung stehen. Sollten sie mehrere Medizinprodukte tierischen Ursprungs haben, ist es hilfreich, sich eine eigene Datenbank zu den relevanten übertragbaren Erregern und der Inaktivierungsmethoden anzulegen, um den Zeitaufwand zu reduzieren.
Was passiert am Ende mit den Ergebnissen?
Die Ergebnisse der Literaturrecherche, die Bewertung der Literaturstellen und ihre Schlussfolgerungen sollen in einem Bericht zusammengefasst werden. Dabei ist zu beachten, dass dieser Literaturrecherchebericht ein Teil des Restrisikobewertungsberichtes sein soll. Datenlücken müssen über validierte Verfahren oder Änderungen am Prozess geschlossen werden. Sollte sich am Herstellungsverfahren etwas ändern (andere Herkunftsländer, neue Informationen) oder sollte es neue Erkenntnisse zu den Erregern geben, müssen Sie die Restrisikobewertung und damit auch die Literaturrecherche wiederholen. Da regelmäßig zu den bekannten und noch nicht klassifizierten Erregern publiziert wird, sollten Sie die Veröffentlichungen hinsichtlich der Relevanz für Ihr Produkt überwachen und / oder regelmäßig eine Literaturrecherche durchführen.
Auch wenn die ISO 22442 Norm Produkte mit Bestandteilen humanen Ursprungs und anderer biologischer Stoffe explizit ausschließt, folgt die Risikobewertung dieser Materialien ähnlichen Aspekten. Demnach kann die ISO 22442 analog auf Produkte mit Bestandteilen humanen Ursprungs und anderer biologischer Stoffe unter Berücksichtigung der spezifischen Gesetzgebung angewendet werden.
Fazit und Empfehlung
Während besonders bei Materialien biologischen Ursprungs mit einem hohen Risiko für die Übertragung von Viren und TSE-Erregern ein spezielles Risikomanagement und eine Restrisikobewertung vorhanden sind, gibt es häufig Datenlücken für die Restrisikobewertung bezüglich der anderen übertragbaren Erreger wie Bakterien, Hefen, Pilze und Parasiten. Für Medizinprodukte, die nur teilweise aus Materialien biologischen Ursprungs bestehen oder nur mit diesen hergestellt werden, ist häufig kein spezielles Risikomanagement und / oder keine Restrisikobewertung vorhanden.
Prüfen Sie jetzt Ihr Risikomanagement für Ihre Medizinprodukte, zu deren Bestandteilen Materialien biologischen Ursprungs gehören:
- Prüfen Sie, ob Sie ein spezielles Risikomanagement für Ihre Medizinprodukte, zu deren Bestandteilen Materialien biologischen Ursprungs gehören, benötigen.
- Prüfen Sie Ihr spezielles Risikomanagement auf Vollständigkeit.
- Prüfen Sie, ob die vorhandenen Daten, Zertifikate und Bescheinigungen sowie die Spezifikationen des Herstellungsverfahrens ausreichend für die Restrisikobewertung sind.
- Finden Sie heraus, welche Anforderungen Sie für das spezielle Risikomanagement und die Restrisikobewertung erfüllen müssen und welche Zeiträume und Kosten auf Sie zukommen.
- Planen Sie frühzeitig die Literaturrecherche und gegebenenfalls Studien, um die rechtskonforme Vermarktung Ihrer Produkte nicht zu gefährden.
Wir sichten Ihre Daten zum Herstellungsverfahren und zur gesamten Lieferkette, planen Ihre Literaturrecherche und führen diese durch, bewerten die Risiken in Bezug auf übertragbare Erreger und Gefährdungen durch biologische Unverträglichkeiten, erstellen Ihre Restrisikobewertung und zeigen auf, welche Daten noch erhoben werden müssen und wie Sie dabei Zeit und Kosten einsparen können.
Mit uns optimieren Sie Ihr Risikomanagement
Unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie dabei, ein optimales spezielles Risikomanagement zu entwickeln, die Risikoanalyse inkl. Literaturrecherche, Risikokontrolle und Risikobewertung durchzuführen. Wir helfen Ihnen, zeit- und kostenintensiven Aufwand durch Inaktivierungsstudien, Verzögerungen und Datenlücken zu vermeiden.