Requirements-Engineering oder „Die System-Ingenieure Stadler und Walldorf heben einen Schatz“
5. September 2022In diesem Artikel erfahren Sie, welche System- und Software-Anforderungen es gibt und wie sie richtig spezifiziert und dokumentiert werden können. Auf sympathische und leicht ironische Weise erklärt unser Experte Torsten Hertz unterhaltsame Sachverhalte aus der Welt der Produkthauptakte eines Medizinprodukts. Lesen Sie hier den ersten Teil der Serie zum Thema „Requirements-Engineering“.
Verfolgen Sie mit, wie unsere System-Ingenieure Stadler & Walldorf launig und wohlwollend durch das System Design eines „alten“ Projekts stöbern – alles natürlich fiktiv, aber durchaus nicht unmöglich.
Die beiden erfahrenen System-Ingenieure Gero Stadler und Lutz Walldorf haben bei der letzten Sprintplanung die super-spannende Aufgabe gezogen, diejenigen Produkthauptakten zu archivieren, für die die Aufbewahrungsfrist
abgelaufen ist.
1. Wie es beginnt
Es ist der Start des aktuellen Sprints – und unsere beiden Protagonisten richten sich für die nächsten drei Wochen schön gemütlich im Archiv ein. Für genügend Kaffee und Kekse ist gesorgt, und so machen sich Gero und Lutz an die Arbeit.
Lutz:
Sag` doch mal, Gero: Hätten wir nicht doch lieber eine andere Karte vom TaskBoard ziehen sollen? Dieser Archiv-Job verheißt ja nun nicht gerade Suspense und Partylaune. Unsere Kollegen im Team konnten sich das Grinsen ja auch nicht gerade verkneifen, als wir vom Board direkt in das Archiv gedackelt sind.
Gero:
Purer Neid dieser „lieben“ Kollegen! Hier ist doch alles schön überschaubar. Es geht ja schließlich nur um diesen Umzugskarton mit dem Dokumenten-Nachlass
der Firma „AlphaSysMed“.
Lutz:
Unfassbar, dass die komplette Produkthauptakte eines Klasse IIb-Medizingeräts in diese Schachtel passt.
Na ja, wahrscheinlich wurde gegen Ende der 90er nicht so opulent dokumentiert.
Gero:
Späte 90er – gute Jahrgänge! Alles noch schön analog, nicht wahr?
Lutz:
Ja, sieht mir doch alles nach ausgedruckten Office ´97-Dokumenten aus, sozusagen halb-digital.
Gero:
Datenbankgetriebenes und modellbasiertes System Design kam erst etwas später auf, zumindest in der Medizintechnik.
Irgendwann hat sich da halt eine „Tür“ geöffnet …
Lutz:
Du immer mit Deinen Datenbanken und Modellen …
Was ist eigentlich aus „AlphaSysMed“ geworden?
Gero:
Tja, die haben es gerade noch über das Millennium geschafft, das Produkt hatte aber niemals den anvisierten CE-Markt erreicht...
Lutz:
… das war noch vor meiner Zeit. Woran hatte es denn gelegen?
Fehlende Y2K-Compliance? (lacht)
Gero:
Das wäre noch nicht mal das Schlimmste gewesen. Im Ernst: Das Produkt lief in der klinischen Erprobung so instabil, dass sich die Kapitalgeber recht flott aus dem Projekt zurückgezogen haben.
Wir Engineering Consultants bekamen damals die Aufgabe, als „Feuerwehr“ das Ruder noch mal herumzureißen – vergebens!
In der Ursachenanalyse kam unter anderem heraus, dass die spezifizierten Testfälle in der Verifizierung und Validierung nur sehr wenig mit den Anforderungen zu tun hatten. Und diese Anforderungen waren dann auch noch sehr schwach formuliert.
Lutz:
So einfach kann man sowohl Produkt als auch Unternehmen gegen die Wand fahren. Jetzt bin ich allerdings neugierig auf diese Anforderungen geworden – lass uns doch mal diesen „Giftschrank“ öffnen und in die System- und Software-Anforderungen hereinschauen. So viel Zeit muss sein.
Gero:
Einverstanden!
2. Die Kostproben
Lutz und Gero greifen sich jeweils einen verblichenen Ordner und blättern durch die Anforderungen. Nach und nach finden sie immer weitere Beispiele, die nur einem Zweck dienen können: Als schlechte Beispiele, nur zur Warnung.
2.1 Schwerverdauliche Prosa
Lutz:
Bingo! Hier habe ich was aus den Produktanforderungen:
Gero:
Spitzenklasse! Mir gefällt der „grüne Knopf“ jetzt schon!
(singt: „Mein kleiner grüner Kaktus …“)
Lutz:
Angefangen bei den abwesenden Modalverben wie „soll“ oder „muss“ ist dies eine ziemliche Freestyle-Prosa.
Gero:
Dies entspricht so dem veralteten Konzept des „Lastenhefts“ als linear heruntergeschriebene Wunschliste von Punkten, die auch noch kontextabhängig sind. Wie soll man sowas eigentlich identifizieren und referenzieren?
Lutz:
Auf Seite 23, die ersten vier Zeilen des letzten Abschnitts – ist doch eineindeutig genug, oder?
(lacht)
Gero:
Ich nenne diesen Schnipsel jetzt PRODREQ-042, einfach mal so. Sowas wird ja normalerweise von einem ALM (Application Lifecycle Management) Tool automatisch erledigt.
Lutz:
Gute Idee. Dann lass uns dieses Artefakt auch gleich in mindestens drei atomare Requirements aufteilen.
Gero:
Stimmt. Gibt es für all die hier genannten Subjekte, Objekte und Prozessverben eigentlich ein globales Glossar?
Lutz:
Fehlanzeige. Die Begriffe kann jeder so interpretieren, wie sie / er möchte.
Gero:
Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär` …
Lutz:
Wie jetzt?
Gero:
Na, das „wenn“ im letzten Halbsatz. Der Klassiker an sich, da wenn (genauso wie „when“ im EN) nicht eindeutig spezifiziert, ob es eine kausale oder zeitliche Bedingung sein soll.
Nehmen wir mal an, dass es hier vom Autor dieser Zeilen kausal gemeint ist, dann sollte man es durch „falls“ ersetzen.
Lutz:
Gut gesehen, Gero. Mal sehen, ob ich dich bei der nächsten Kostprobe auch aufs Glatteis führen kann.
3. Unsere Empfehlung
Unser Ansatz ist: Gutes Requirements-Engineering ist als Prozess zu verstehen, der sauber aufgesetzt werden sollte. Nur mit einem sauberen Prozess ist sichergestellt, dass die technische Lösung auch wirklich dem Kundenwunsch entspricht.
Was können wir für Sie tun?
- Wir bieten unseren Kunden Requirements-Management als Einzeldienstleistung oder im All Inclusive-Paket. Das heißt, wir betreuen Kunden von der Spezifikation über das Testen bis hin zur fertigen Akte und Zulassung des Produkts. Das ist keinesfalls selbstverständlich auf dem Markt. Mit unserer langjährigen Erfahrung und einem weit verknüpften Netzwerk von Know-how-Trägern ermöglichen wir diesen Full Service auch für sehr große Kunden und europaweit.
- In dem von der qtec Academy angebotenem, interaktivem Seminar „Requirements-Engineering“ erfahren Sie, welche sprachlichen Mittel Ihre Anforderungsanalyse verbessern, wie Sie den Prozess an das gegebene Projektumfeld anpassen und so einen wichtigen Grundstein für den Erfolg Ihrer Produkte legen.
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