Personalized medical devices (PMD) – klinische Bewertung und Evidenz
Personalized medical devices (PMD) lassen sich in in custom made (CMD), patient matched und adaptable devices unterteilen.
CMD | Patient-matched MD | Adaptable MD | |
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Produktion von (Zwischen)-produkten | Keine Serienfertigung; Individuelle Patientendaten sind Basis für die Herstellung | Batch oder Serienfertigung; Patientendaten sind Basis für die Produktion (Möglichkeiten des Designs sind bereits bekannt) | Serienfertigung; Patientendaten werden für die Entwicklung und Produktion nicht benötigt, allerdings ist der Grad der Anpassungsfähigkeit bereits bekannt |
Prozessunterschiede | Herstellung für ein Rezept, ausgestellt durch autorisiertes medizinisches Fachpersonal. Ein Rezept enthält mindestens: - Patientennamen/ Pseudonym - Design Parameter auf Basis der anatomisch-physiologische Merkmale und/oder pathologischer Zustand des Patienten | Validierter Prozess zur Herstellung des Medizinproduktes; Rezept ausgestellt durch autorisiertes medizinisches Fachpersonal kann vorhanden sein, ist aber nicht zwingend erforderlich | Validierte Anleitung für die Anpassung des Medizinproduktes. |
Prozessmerkmale | Individueller Produktionsprozess gemäß der Designbedürfnisse; diese sind nicht für einen anderen Patienten reproduzierbar | Standardisierter Produktionsprozess bei dem Patientendaten genutzt/benötigt werden. | Standardisierter Produktionsprozess bei dem keine Patientendaten genutzt/benötigt werden. |
Regulatorischer Weg | Sonderanfertigungen gemäß Anhang XIII, klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen | Standardmäßige MDR-Route, als Zwischenprodukt im Hinblick auf die Rolle des PMD im Endprodukt. | |
Grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen/ General safety and performance requirements (GSPR) | Sie erklären, dass ihr Produkt den GSPRs entspricht (Anhang XIII MDR), womit einhergeht, dass Sie dies für relevante GSPRs nachweisen oder begründen müssen, warum diese nicht vollständig eingehalten wurden. | Einhaltung der relevanten GSPRs durch das fertige Produkt hinsichtlich möglicher Änderung der physikalischen, chemischen oder biologischen Eigenschaften während der Weiterverarbeitung. Die Einhaltung sowie Ausschluss von GSPRs ist darzulegen. |
Tabelle 1 Informationen zur Unterteilung von PMDs [IMDRF PMD WG/N49 FINAL: 2018, IMDRF/PMD WG/N58 FINAL: 2023, MDCG 2021-3]
Der Entscheidungsbaum aus dem IMDRF Dokument 2023 Edition 2 dient mit hilfreichen Fragenstellungen, welche zusammengefasst auf folgendes abzielen:
- Wer verantwortet das Design und die Herstellung?
- Wie sind der Herstellungsprozess und seine Grenzen definiert?
- Kann man den Herstellungsprozess validieren, bzw. ist dieser reproduzierbar?
IMDRF/PMD WG/N58 FINAL: 2023 (Edition 2) Es kann abgeleitet werden, dass die Vorgaben der klinischen Bewertung für Medizinprodukte ebenfalls für eben patient-matched und adaptable medical devices zu erfüllen sind. [IMDRF/PMD WG/N74 FINAL: 2023] Dies gibt auch das N58 Dokument wieder, denn sowohl patient-matched als auch adaptable medical devices „…müssen die üblichen regulatorischen Anforderungen erfüllen“, wörtlich: „…must follow usual regulatory requirements”.
Die MDR definiert nicht, was patient-matched oder adaptable devices sind, aber geht darauf ein, welche Gegebenheiten zum Ausschluss eines CMD führen:
„Serienmäßig hergestellte Produkte, die angepasst werden müssen, um den spezifischen Anforderungen eines berufsmäßigen Anwenders zu entsprechen, und Produkte, die gemäß den schriftlichen Verordnungen einer dazu berechtigten Person serienmäßig in industriellen Verfahren hergestellt werden, gelten jedoch nicht als Sonderanfertigungen;“ [MDR Kapitel 1, Artikel 2]
Das International Medical Device Regulators Forum veröffentlichte 2023 dazu zwei neue Dokumente zum Thema Personalized Medical Devices (PMD), wobei IMDRF PMD WG/N49 FINAL: 2018-Definitions for Personalized Medical Devices seine Gültigkeit behält:
- IMDRF/PMD WG/N58 FINAL: 2023 (Edition 2) – Regulatory Pathways
- IMDRF/ PMD WG/ N74 FINAL: 2023 – Production Verification and Validation
Die Übersicht der Dokumente der Working group PMD ist unter folgendem Link zu finden Personalized Medical Devices (PMD) | International Medical Device Regulators Forum (imdrf.org)
Was muss bei der klinischen Bewertung beachtet werden?
Wenn sich physikalische, chemische oder biologische Eigenschaften während der Herstellung des patient-matched oder adaptable Produktes ändern, ist die Konformität des Endproduktes mit den betroffenen GSPRs darzulegen. Ändern sich die Bedingungen der Konformität von beispielsweise GSPR 1, GSPR 2, GSPR 5, GSPR 6 und GSPR 8 durch die Anpassung an den Patienten, ist die Konformität nach Anpassung und damit einhergehende Veränderungen in der klinischen Bewertung zu belegen. Dies sollte sich dann in der GSPR Checkliste mit entsprechendem Nachweis wiederspiegeln.
Risiken für Patienten, Anwender und Dritte sind zu evaluieren – „Dritte“ meint hier unter anderem auch Personen, welche an der Verarbeitung des Produktes beteiligt sind (Bsp. Reinigung von 3D gedruckten Teilen).
Die IMDRF/PMD WG/N74 FINAL: 2023 geht im Rahmen der „PMD- Production Verification and Validation“ auf die Anforderungen zur klinischen Evidenz ein. Die Vorgaben der klinischen Bewertung für Medizinprodukte sind also prinzipiell auch für patient-matched und adaptable medical devices zu erfüllen. Letztere werden zwar nicht explizit im IMDRF/PMD WG/N74 genannt, jedoch fallen „adaptable medical devices“ gem. IMDRF/PMD WG/N58 FINAL: 2023 (Edition 2) unter die mass-produced PMD und werden somit ebenfalls angesprochen.
Folgende Punkte gilt es mit der klinischen Bewertung abzudecken [N74]:
- Identifizierung der GSPRs, welche es mit klinischen Daten zu belegen gilt
- Festlegung der Zweckbestimmung und der (klinischen) Claims
- Beabsichtigte Populationsgruppen, Indikation und ggfs. Kontraindikation
- Beabsichtigter klinischer Nutzen , und klinische Outcome Parameter
- Spezifikation der Methoden zur Untersuchung von Aspekten der klinischen Sicherheit mit Bezug zu Restrisiken
- Liste mit Spezifikationen anhand derer die Akzeptanz des Risiko-Nutzen Verhältnisses bestimmt werden soll
Das N74 Dokument nennt die „essential principles“ unter anderem wie folgt: „identification of Essential Principles that require support from clinical evidence” und verweist auf das MDRF/GRRP WG/N47 FINAL: 2018 „Essential Principles of Safety and Performance for Medical Devices and IVD Medical Devices“.Dieses bietet unter anderem eine übergreifende, nicht allumfassende, Orientierungshilfe zur Erfüllung der GSPRs durch Leitlinien und Normen. In jedem Fall ist zu prüfen, welche Normen in Ihrem Fall anzuwenden sind.
Für CMD-Produkte benötigen Sie zwar keine klinische Bewertung im üblichen Umfang denn: “der Umfang des klinischen Nachweises muss den Merkmalen des Produkts und seiner Zweckbestimmung angemessen sein“ [MDR Artikel 61 (1)], jedoch sind immer Safety and Performance Daten zu erheben und zu bewerten. [IMDRF/GRRP WG/N47 FINAL:2018]. Überlegen Sie dazu, welche Klassifizierung ihr Gerät hätte, wenn es kein CMD wäre. Anschließend erwägen Sie, welche gesetzlichen Anforderungen der Klassifikation auch für ihr CMD erfüllt werden können. Begründen Sie nachvollziehbar, wenn Anforderungen aufgrund der Erfüllung der spezifischen Bedürfnisse des Patienten nicht eingehalten werden können. [IMDRF/PMD WG/N58 FINAL: 2023, 6.2 general requirements]
Ein PMS Report für Klasse I (Artikel 85), bzw. ein PSUR für die Klassen IIa/b und III (Artikel 86; siehe auch CMD Dokumentation Aschnitt 2 Anhang XIII, MDR) sind anzufertigen. Zum Zweck des RM, PMS und der klinischen Bewertung inkl. PMCF können CMD-Produkte bspw. nach Zweckbestimmung, verwendeten Materialien u.a. eingruppiert werden. [MDCG 2022-21 GUIDANCE ON PERIODIC SAFETY UPDATE REPORT (PSUR) ACCORDING TO REGULATION (EU) 2017/745 (MDR)]
PMDs – Zwischenprodukte [MDCG 2021-3]
Es ist zu erwarten, dass die Risikoklasse eines Zwischenproduktes meist identisch zu derer des Endprodukts ist. Da häufig Ausnahmen die Regel bestätigen ist risiko-basiert immer zu prüfen, ob sich das Zwischenprodukt in folgenden Punkten unterscheidet:
- der medizinischen Zweckbestimmung des „Endproduktes“ (bei verschiedenen Varianten ist, gemäß „risikobasiertem Ansatz“, die höchste Klasse zu wählen)
- ob es als implantierbare/s Komponente, Teil oder Material anzusehen ist
- Kontakt oder Interaktion des Produktes im „Endprodukt“
Zwischenprodukte von PMDs können auch als eigenständiges oder als kombinierbares Medizinprodukt gesehen werden. Diese Produkte können bei inhärenter oder kombinierter (medizinischer) Zweckbestimmung eine CE-Kennzeichnung erhalten.
Tipp zur Einteilung PMD
Gemäß Heraklit ist „nichts so beständig wie der Wandel.“ – dem folgend insbesondere seit vermehrt 3D Druck zum Einsatz kommt, sollte man nicht glauben, dass ein Produkt immer in ein und dieselbe Kategorie PMD fällt: eine Bohrschablone ist nicht immer ein patient-matched Device oder ein Retainer nicht immer ein adaptable Device – auf den Herstellprozess kommt es an. Es fällt auf, dass 3D gedruckte Produkte einhergehend mit einem Prozess, der innerhalb eines vom Hersteller vorgegebenen Grenzen ausgeführt wird, häufig in der Kategorie patient-matched zu finden sind. Für patient-matched medical devices geht also eine Verabreitung mit Hilfe eines validierbaren Prozesses einher. Adaptable medical devices sind häufig solche, bei denen der letzte Schritt in der Herstellung eine Anpassung durch den Endanwender „at the point of care “ ist. [MDCG 2021-3]
Je nach Kombination von Art, Zeitpunkt oder auch Verantwortlichkeit der Tätigkeiten am und mit dem Medizinprodukt, ist eine Vielzahl Auslegungen möglich. Ausführlichere Beispiele gibt es im MDCG 2021-3 oder IMDRF PMD WG/N49 FINAL: 2018.
Fazit
Wenn man sich die Anforderungen an die klinische Bewertung und PMDs durchliest, wird klar, dass von den PMD nur CMDs auf klinische Daten verzichten und somit am „usual regulatory pathway“ vorbeiführen können. So erscheint es sinnvoll, dass die MDR, wie anfangs genannt, die Anforderungen unter anderem an die klinische Bewertung für CMDs separiert.
Eine Pauschaleinteilung gibt es aufgrund der Diversität der Produkte und deren Herstellungsmöglichkeiten nicht. Da bei patient-matched und adaptable Produkten, Grenzwerte bekannt und der Produktionsprozess bzw. Anleitung zur Adaption validiert sein müssen, ist es möglich in der klinischen Bewertung diese entsprechenden Grenzen aufzugreifen und auf Sicherheit und Leistungsfähigkeit zu überprüfen, sowie die klinische Evidenz nachzuweisen.
Abschließend kann man sagen, dass eine gründliche Überlegung darüber, welche Anforderungen von Ihrem Produkt und Prozess erfüllbar sind, mehr wiegt, als sich darauf zu berufen, welche Mindestanforderungen Sie gemäß der Einteilung Ihres PMD erfüllen müssen. Im Zweifel ist die Rücksprache mit Ihrer benannten Stelle immer zu empfehlen.
Relevante Links:
IMDRF/PMD WG/N49 FINAL: 2018 Definitions for Personalized Medical Devices
IMDRF/PMD WG/N58 FINAL: 2023 (Edition 2)
IMDRF/PMD WG/N74 FINAL: 2023 IMDRF Personalised Medical Devices WG N74 FINAL 2023
Questions and Answers on Custom-Made Devices mdcg 2021-3
GUIDANCE ON PERIODIC SAFETY UPDATE REPORT (PSUR) ACCORDING TO REGULATION (EU) 2017/745 (MDR)
LEITFADEN MDR – Hersteller von Hilfsmitteln als Sonderanfertigungen