Marktrecherche - Recherche von öffentlich verfügbaren Datenbanken – proaktives Post-Market Surveillance
14. April 2023
Für Hersteller, die unter der europäischen Verordnung (EU) 2017/745 (MDR) ihre Medizinprodukte auf den Markt bringen, ist es wichtig, im Rahmen ihrer Post-Market Surveillance-Aktivitäten (PMS, Artikel 83 bis 86 und Anhang III MDR) in den öffentlich verfügbaren Datenbanken proaktiv nach für PMS zu verwendenden Daten zu ihren und vergleichbaren Produkten (engl. similar devices) zu recherchieren.
Diese Daten finden einen Abgleich in der Risikoanalyse und fließen anschließend in den Bericht über die Überwachung nach dem Inverkehrbringen (engl. Periodic Safety Update Report (PSUR), Artikel 86 MDR) oder PMS Bericht (Artikel 85 MDR) sowie in die Klinische Bewertung (Artikel 61 i.V.m. Anhang XIV, Teil A MDR) ein. Es gibt starke Unterschiede im Bedienungskomfort der Datenbanken und auch bei den Inhalten:
Die Datenbanken von BfArM, Swissmedic und der MHRA liefern je Treffer ein PDF-Dokument, welches dann einzeln auf Relevanz geprüft werden muss und aus dem dann die Daten in die entsprechenden Berichte übernommen werden können. Sie enthalten nur die Korrekturmaßnahmen im Feld (beispielsweise Rückrufe und Sicherheitskorrekturmaßnahmen), aber keine Informationen über einzelne Vorkommnisse.
Datenbankrecherche – Europa:
Für die Recherche in Europa bieten sich die Rückruf-Datenbanken des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Deutschland), der Swissmedic (Schweizerisches Heilmittelinstitut) und MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency, Großbritannien) an.
BfArM
Da Deutschland der größte Markt für Medizinprodukte in Europa ist, werden die meisten Rückrufe auch Produkte in Deutschland betreffen, so dass die Datenbank des BfArM den größten Teil der Rückrufdaten aus Europa abbildet. Meist sind Daten, die bei Swissmedic oder MHRA gefunden werden, bereits in der BfArM Datenbank enthalten.
Die Datenbank des BfArM bietet dem Datensucher das Ergebnis auf ihrer deutschen Homepageseite als deutschsprachiges PDF an, auf der englischen Homepageseite nur dann in englischer Sprache, wenn der Hersteller es auch in Englisch an das BfArM bereitgestellt hat.
MHRA
Die MHRA stellt die Rückrufe in Form einer wöchentlichen Liste zur Verfügung, als Ergebnisse erhält man dann die Sicherheitsinformationen der Hersteller als englische PDF-Version zum Download angeboten.
Keine der drei beschriebenen europäischen Datenbanken macht einzelne Vorkommnismeldungen der Öffentlichkeit zugänglich. Deshalb sind die Daten aus den Einzelberichten, die man aus der Datenbank MAUDE (Manufacturer and User Facility Device Experience) der FDA (U.S. Food & Drug Administration) erhält, von Wichtigkeit.
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Amerika
Wenn das eigene Produkt oder die ausgelobten „similar devices“, unverändert zu den CE zertifizierten Produkten, auch auf dem amerikanischen Markt zugelassen und vertrieben werden, so bietet die amerikanische FDA sogar zwei verschiedene Datenbanken für die Recherche an. Die MAUDE- Datenbank und die Medical Device Recalls-Datenbank.
Hierbei liefert die Medical Device Recalls-Datenbank, die Informationen über die Rückrufe, die in den USA durchgeführt wurden, in der MAUDE-Datenbank finden sich Einzelberichte zu den in den USA zu meldenden Ereignissen.
Die beiden Datenbanken der FDA sind ähnlich aufgebaut und liefern die Daten über die Einzelinformationen hinaus auch in einer tabellarischen Auflistung mit einer Excel-Export Möglichkeit, was die Auswertung um einige Arbeitsschritte erleichtert. Auch die Durchsuchbarkeit der Einträge nach Schlagwörtern ist so gegeben. Nachfolgend werden die einzelnen FDA- Datenbankrecherchemöglichkeiten vorgestellt:
Die FDA-MAUDE Datenbank (Meldungen des Medical Device Reports)
Die FDA-MAUDE Datenbank bietet zwei Suchoberflächen. Eine Suche mit nur wenigen Auswahlmöglichkeiten: „Simple Search“:
In dieser Abfragemöglichkeit kann die Suche nur auf einzelne Jahre und auf einzelne Suchbegriffe beschränkt erfolgen. Dies ist eine eingeschränkte Suche, siehe hierzu auch den eingekreisten Erklärungsteil. Und eine Suche mit detaillierten Abfragemöglichkeiten: „Advanced Search“:
Hier kann die Suche viele verschiedene Parameter beinhalten. Und die Suche kann Vorweg über das Suchfeld „Event Type“ auf unterschiedliche Ereignis-Typen wie „Malfunction“ (Fehlfunktion), „Injury“ (Verletzung) und „Death“ (Tod) einzeln eingegrenzt werden. Die Ergebnisanzeige für eine Suche, die nur den in der Maske angegebenen Zeitraum umfasst, sieht dann wie folgt aus:
Die in diesem Beispiel angegebenen 216 Treffer im Zeitraum vom 01.01. bis 01.02.2023 können mit einem Klick auf „Export to Excel“ in Excel übernommen werden. Die maximale Zahl für eine Suche ausgegebener Berichte ist 500. Erreicht man diese Zahl von Treffern in einer Suche, werden weitere Treffer nicht mehr berücksichtigt, so dass man u.U. relevante Berichte verliert. In diesem Fall sollte man die Suche so weit einschränken (meist durch Eingrenzung des Suchzeitraumes), dass weniger als 500 Treffer gefunden werden, und ggf. mehrere Suchen nacheinander durchführen. Das Ergebnis ist eine umfangreiche und durchsuchbare Tabelle. Die Spalten der Excel-Tabelle sind mit den folgenden Überschriften versehen:
- Web Address (dies ist die Webadresse unter der der Medical Device Report zu finden ist)
- Report Number (dies ist die Report-Nummer der FDA)
- Event Date (Ereignisdatum)
- Event Type [siehe oben - Malfunction (Fehlfunktion), Injury (Verletzung) und Death (Tod)]
- Manufacturer (Hersteller)
- Date Received (Datum der Meldung an die MAUDE-Datenbank
- Product Code (Produkt Code der FDA)
- Brand Name (Handelsname des Produkts)
- Device Problem (Produktproblem – hier kann der Eingebende mehrere Produktprobleme auflisten)
- Patient Problem (Patientenproblem – hier kann der Eingebende mehrere Patientenprobleme auflisten)
- PMA/PMN Number (US Zulassungsnummer, engl. Premarket Approval / Premarket Notification)
- Exemption Number (wird nur für Studien-Produkte verwendet)
- Number of Events (Anzahl der Ereignisse, meist wird nur 1 Report pro Produkt gemacht)
- Event Text (Ereignisbeschreibung im Detail. Das Ergebnis lässt sich mit den Ereignisbeschreibungen bei Vorkommnismeldungen vergleichen)
Man erhält das Einzelergebnis als PDF- Dokument wenn man für ein ausgewähltes Ereignis auf den unterstrichenen „Brand Name“ klickt. Alle angezeigten Inhalte finden sich auch in der Excel-Tabelle wieder. Sie brauchen Unterstützung bei der Erfassung und Auswertung von relevanten Daten? Kontaktieren Sie unsere Experten, um die für Ihr Produkt geeignete PMS-Strategie zu finden.
Die FDA-Recall Datenbank (Rückrufe)
Bei der FDA-Recall Datenbank gibt es zwei Abfragemöglichkeiten: „Quick Search“ und „Advanced Search“. Für die Marktrecherche ist die Nutzung von „Advanced Search“ sinnvoll.
Die Ergebnisanzeige kann eingeschränkt werden, wenn z.B. nur nach einem bestimmten „Product Code“ gesucht wird oder die Einschränkung über den „Product Name“ und die Eingabe einer „Recalling Firm“ erfolgt. Bei einer Suche für den Zeitraum (MM/TT/YYYY) „01/15/2023 to 01/31/2023“ sieht die Ergebnisanzeige beispielsweise wie folgt aus:
Die angegebenen 91 Treffer im gewählten Beispielzeitraum können mit einem Klick auf „Export to Excel“ in Excel übernommen werden. Das Ergebnis ist ebenfalls eine umfangreiche und durchsuchbare Tabelle.
Auch hier erhält man alle Informationen über den einzelnen Recall wenn man in der Übersicht auf die unterstrichene „Product Description“ klickt. Die wesentlichen Inhalte aus den einzelnen Recalls finden sich auch in der Excel-Tabelle wieder. Die Spalten der Excel-Tabelle sind mit den folgenden Überschriften versehen:
- Web Address (dies ist die Webadresse unter der der Rückruf zu finden ist)
- Recall Number (dies ist die Rückruf Nummer von der FDA)
- Product Description (Produktbeschreibung)
- Trade Name (Handelsname des Produktes)
- Recall Class (Rückruf Klasse, in den USA gibt es 3 Rückruf-Klassen)
- Center (zuständige US Behörde, CDRH=Center for Devices and Radiological Health)
- Center Classification DT (Datum für die Klassifizierung des Recalls)
- Posted Internet DT (Datum für die Veröffentlichung des Recalls im Internet)
- Termination DT (Beedigungsdatum/Abschluss des Recalls)
- Firm Name (Name des Unternehmens, dass den Recall initiiert hat, normalerweise der Herstellername)
- Manufacturer Recall Reason (Ursache des Rückrufs)
Die Informationen in den Zellen „Manufacturer Recall Reason“ enthalten die Begründung für den Recall und die Problembeschreibung mit dem Produkt. Diese Felder enthalten – ebenso wie Vorkommnismeldungen in der EU oder die „Event Texte“ in der MAUDE-Datenbank – die Informationen zu Sicherheit und Leistungsfähigkeit, die für die Datenbankauswertung relevant sind.
Nicht in die Excel-Tabelle übernommen werden einige Informationen zum Recall selbst: werden die Produkte physisch zurückgerufen, gibt es eine neue Gebrauchsanweisung, ….? Diese Informationen sind für die Datenbankrecherche nur sekundär wichtig, beispielsweise als Anhaltspunkt, wie andere Hersteller mit bestimmten Produktproblemen umgehen.
Während die FDA für die MAUDE- und RECALLS-Datenbanken einen Excel-Export vorsieht, ist dies bei den Europäischen Datenbanken nicht möglich. Wenn es sich um eine größere Menge an Informationen handelt, kann es sinnvoll sein, die Schlüsselinformationen aus den Europäischen Datenbanken in einer ähnlichen Struktur zu erfassen, wie sie von der FDA bereitgestellt werden. Im nächsten Schritt werden die identifizierten Datensätze bearbeitet und bewertet:
Bearbeitung und Bewertung von Excel-Tabellen
Am einfachsten lässt sich hinter die exportierten Spalten eine zusätzliche Bewertungsspalte einfügen. Dort trägt man z.B. eine knappe Bewertung mit vorher festgelegten, standardisierten Begriffen/Texten ein, die hinterher über die Erstellung einer Pivot-Tabelle Aussagen über die Häufigkeit jeder kurzen Bewertung gibt. Sie haben die relevanten Daten erfasst, in einer Excel dargestellt und sind sich nun unsicher, welche Schlüsse Sie aus den Informationen ziehen sollen?
Pivot-Tabelle
Für die einfache Pivot-Tabellendarstellung wählt man über den Dateireiter „Einfügen“ und „PivotTable“.
Mit der Anwahl „Aus Tabelle/Bereich“ wählt Excel automatisch den beschriebenen Bereich aus der Excel-Tabelle aus und erstellt ein neues Tabellenblatt mit der Pivot-Darstellung.
Hier hat man dann die Möglichkeit die Pivot-Tabelle nach eigenen Wünschen zu gestalten. Zum Beispiel eine einfache Auflistung aller Bewertungsergebnisse und deren Häufigkeit.
Wenn zusätzlich auch graphische Ergebnis-Darstellung gewünscht sind gibt es weitere Optionen, wie z.B. Chart oder Diagramm.
Zum Einfügen einer Pivot Tabelle mit Chart:
Oder mit Diagramm:
Zusammenfassend ist die sog. Datenbankrecherche in den Vigilanzdatenbanken der Behörden eine wichtige Quelle für die Bewertung im Rahmen des Post-Market Surveillance, um insbesondere Produktprobleme bei ähnlichen oder vergleichbaren Medizinprodukten frühzeitig und umfassend zu erkennen und um bewerten zu können, inwieweit diese Probleme auf die eigenen Produkte übertragbar sind oder sein könnten. Dabei ist es wichtig, dass Informationen über einzelne und damit insbesondere auch seltene Vorkommnisse oder Ereignisse bisher in Europa nicht verfügbar sind, sondern nur Informationen über Rückrufe, die in der Regel nur initiiert werden, wenn eine größere Zahl von Produkten daran beteiligt war oder sein könnte.
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