
eIFU – Elektronische Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte
7. April 2022Update:
Am 14. Dezember 2021 ist die Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 in Kraft getreten, die die neuen Anforderungen der MDR (EU) 2017/745 an die eIFU beschreibt. Die Änderungen im Überblick:
Übergangsfrist:
- Die Verordnung (EU) Nr. 207/2012 gilt weiterhin für Produkte, die während der Übergangsfrist gemäß Artikel 120 Absatz 3 der MDR in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen wurden bis maximal zum 26. Mai 2024. (Art. 10)
Scope:
- Für Software (SaMD) ist die Beschränkung auf professionelle Anwender aufgehoben. Es darf auch für Software, die durch Laien genutzt wird, eine eIFU mit Hilfe der Software selbst bereitgestellt werden (Art. 3 (3))
- Die Verordnung gilt nicht für Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung nach Anhang XVI der MDR
Risikobewertung:
- Der Umfang der geforderten Risikobewertung wurde um 2 Punkte ergänzt. So muss z.B. die Kompatibilität der Website bei der Darstellung der eIFU auf verschiedenen Geräten bewertet werden. (Art. 4, j) und k))
Bereitstellung auf Website:
- Zwei neue Anforderungen werden an die Bereitstellung auf der Website gestellt. Es muss ein wirksames System vorliegen, dass Nutzer über Aktualisierungen und Korrekturmaßnahmen informiert. Zusätzlich wird nun explizit gefordert, dass die eIFU in der vom Mitgliedsstaat geforderten Amtssprache verfügbar ist. (Art. 5 (11) und (12))
Kennzeichnung:
- Die Kennzeichnung muss deutlich darauf hinweisen, dass eine eIFU bereitgestellt wird. Die Angaben zum Zugang zur eIFU müssen nun auch Basis-UDI-DI und/oder die UDI-DI des Produkts enthalten. (Art. 6 (1) und (3) b))
Übersicht über regulatorische Anforderungen und Vorteile der eIFU
Mit einer eIFU gehen Sie den nächsten Schritt in Richtung Digitalisierung. eIFU - das steht für Electronic Instructions for Use (auf Deutsch elektronische Gebrauchsanweisungen). Diese eIFU ersetzen die Gebrauchsanweisungen in Papierform. Auf diese Weise wird nicht nur die Umweltbelastung reduziert. Die Einführung von eIFU kann Kosteneinsparungen für den Hersteller mit sich bringen. Denn jedem Produkt die richtige Gebrauchsanweisung in der aktuellen Revision und der gewünschten Sprache beilzulegen, ist eine logistische Herausforderung. Jedoch erlaubt die EU-Kommission nicht für jedes Medizinprodukt die komplette Umstellung auf die digitale Variante. Selbst das zusätzliche Anbieten einer elektronischen Version der Gebrauchsanweisung auf der Website des Herstellers ist an Anforderungen geknüpft.
Hier erhalten Sie unseren Überblick über die aktuellen Anforderungen:
1. eIFU - regulatorischer Rahmen
In der EU verweisen sowohl die
- MDD 93/42/EWG (Medizinprodukterichtlinie) im Anhang I Nr. 13 als auch die
- MDR 2017/745 (Medizinprodukteverordnung) im Anhang I Nr. 23.1 f.
in den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen auf die Verordnung (EU) Nr. 207/2012, die am 14. Dezember 2021 durch die Durchführungsverordnung (EU) 2021/2226 ersetzt wurde. Diese Verordnungen beschreiben die Voraussetzungen und Anforderungen an elektronische Gebrauchsanweisungen für Medizinprodukte.
Für Produkte, die bis zum 26. Mai 2024 gemäß der Übergangsfrist (Artikel 120 Absatz 3 der MDR) noch unter der MDD in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen wurden, kann weiterhin die alte Verordnung herangezogen werden.
International gibt es eIFU Richtlinien von der FDA (USA), Health Canada (Kanada), TGA (Australien), ANVISA (Brasilien), SFDA (Saudi-Arabien), PMDA (Türkei) und MoH (Indien).
2. Voraussetzungen für die Bereitstellung von eIFU anstelle der Gebrauchsanweisungen in Papierform
Die Voraussetzungen, um elektronische Gebrauchsanweisungen statt Gebrauchsanweisungen in Papierform zur Verfügung zu stellen, lassen sich in Voraussetzungen an den Anwender und solche, die an das Produkt gestellt werden, aufteilen.
a. Voraussetzungen an den Anwender
Die Voraussetzungen an den Anwender des Medizinprodukts haben alle internationalen eIFU Regularien gemeinsam:
- Die Anwendung ist ausschließlich für professionelle Nutzer vorgesehen.
- Mit einer Verwendung durch andere Personen muss nach vernünftigem Ermessen nicht gerechnet werden.
- Lediglich für stand-alone Software als Medizinprodukt (SaMD) macht die neue EU Verordnung eine Ausnahme: Es darf auch für Software, die durch Laien genutzt wird, eine eIFU mit Hilfe der Software selbst bereitgestellt werden.
b. Voraussetzungen an das Produkt
Die eIFU darf nur bei folgenden Produkten die Gebrauchsanweisung aus Papier ersetzen:
- Aktive implantierbare Medizinprodukte und Zubehör
- Implantierbare Medizinprodukte und Zubehör
- Fest installierte Medizinprodukte und Zubehör
- Medizinprodukte und Zubehör, in die ein System zur Anzeige der Gebrauchsanweisung eingebaut ist
- Eigenständige Software
3. Anforderungen an das Bereitstellen von eIFU in der EU
Die Website
- ist vor unbefugtem Zugriff und unerlaubten Änderungen am Inhalt geschützt
- ist DGSVO konform
- bzw. die angegebene Internetadresse bleibt während festgelegter Fristen unverändert
- enthält auch alle früheren Version der IFU
Die regulatorischen Hürden für den Wechsel zur eIFU sind hoch. Damit will die Europäische Kommission sicherstellen, dass das Sicherheitsniveau bei der Bereitstellung elektronischer Gebrauchsanweisungen mindestens genauso hoch ist, wie bei der Bereitstellung von Gebrauchsanweisungen in Papierform. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung der Anforderungen an das Bereitstellen von eIFU:
- Dokumentierte Risikobewertung, die auch nach dem Inverkehrbringen aktualisiert werden und in der unter anderem Folgendes betrachtet werden muss:
- Kenntnisstand und Erfahrung der Nutzerzielgruppen hinsichtlich des Produkts und hinsichtlich der Hard- und Software im Allgemeinen
- Maßnahmen zur Datensicherheit
- Vorhersehbare medizinische Notfallsituationen, in denen Informationen in Papierform erforderlich sind
- Auswirkungen und Maßnahmen für den Fall, dass die eIFU zeitweise nicht verfügbar ist
- Abschätzung des Zeitraums, innerhalb dessen der Nutzer auf Anforderung die Gebrauchsanweisung in Papierform erhält
Des Weiteren müssen u.a. folgende Anforderungen erfüllt werden:
- Bereitstellung in allen EU-Ländern und Amtssprachen, in denen das Produkt vertrieben oder verwendet wird (Ausnahmen bei den Ländern sind mit Begründung in der Risikobewertung möglich, bei den Amtsprachen jedoch nicht)
- eine individuelle Referenz, die direkten Zugang zur eIFU des Medizinproduktes gewährt
- System zur eindeutigen Identifizierung von Änderungen in der eIFU
- Labelling
- mit eindeutiger Angabe, dass die Gebrauchsanweisung elektronisch bereitgestellt wird. So kann beispielsweise das Symbol „Gebrauchsanweisung beachten“ der ISO 15223-1 mit der URL versehen werden, unter der die eIFU zu finden ist.
- mit Informationen zu den vorhersehbaren medizinischen Notfallsituationen
- Die Angaben zum Zugang zur eIFU müssen nun auch Basis-UDI-DI und/oder die UDI-DI des Produkts enthalten
- Informationen wie auf die eIFU zugegriffen werden kann und Soft- und Hardwarevoraussetzungen zum Anzeigen der eIFU
- System zur kostenfreien Bereitstellung der Papierversion innerhalb der in der Risikobewertung genannten Frist, spätestens innerhalb von sieben Kalendertagen nach Erhalt der Anforderung
- Verifizierung und Validierung des eIFU Systems (Software & QMS-Prozesse)
- Anforderungen an die Website, auf der die eIFU bereitgestellt wird, z. B. hinsichtlich Datenschutz und -sicherheit sowie Zuverlässigkeit
5. eIFU System
Ein eIFU-System besteht aus einer Software und Steuerungsprozessen zur Sicherstellung der korrekten produktbezogenen Kommunikation der eIFU an den Anwender. Während die Steuerungsprozesse im Wesentlichen aus bestehenden Prozessen im Unternehmen abgeleitet werden können (z. B. Druck Freigabe-Prozess), stellen sich an eine eIFU-Software weitreichendere Anforderungen. Die Entwicklung einer eIFU-Software erfordert detaillierte Kenntnisse von eIFU-Regularien, -Technologien und -Designanforderungen.
Für die Entwicklung einer eigenen eIFU-Software sollten Antworten auf die folgenden Fragen gefunden werden:
- Sind die internationalen regulatorischen Anforderungen im Detail bekannt und definiert?
- Wie soll die Bedienerschnittstelle gestaltet werden, damit Sprachen, Länder und regulatorische Anforderungen erfüllt werden können?
- Welche Programmiersprachen und Technologien kommen zum Einsatz, um eine möglichst hohe Kompatibilität mit Endgeräten und Internet Browsern zu erreichen?
- Ist das Budget und die Zeit für die Entwicklung einer eIFU-Software verfügbar?
- Ist Softwarepflege inklusive Revalidierung, Datensicherung, Notfallpläne und kontinuierliche Überwachung der Verfügbarkeit der Webseite über einen langjährigen Zeitraum berücksichtigt und gegeben?
Zu beachten ist, dass die eIFU-Software gemäß QM-Anforderungen (z.B. aus ISO 13485:2016 oder 21 CFR Part 11) validiert werden muss. Das bedeutet, dass Anforderungen an die Software definiert und dokumentiert werden müssen. Die Software muss daraufhin auf Erfüllung dieser Anforderungen getestet werden.
6. Ausblick
Die Digitalisierung schreitet fort und betrifft heute viele Bereiche des täglichen Lebens und der Gesellschaft. Die Digitalisierung von Gebrauchsanweisungen ist trotz regulatorischer Hürden sinnvoll, weil durch die besseren Darstellungsmöglichkeiten und die allgemeine Verfügbarkeit die Sicherheit bei der Anwendung des Medizinprodukts erhöht werden kann.
Viele Länder außerhalb der EU, wie z. B. Australien, Brasilien, Kanada und die USA, erlauben den Einsatz von eIFU für professionelle Nutzer von Medizinprodukten. Die Einschränkungen auf bestimmte Arten von Medizinprodukten gelten dort nicht.