
Unsere Experten-Videoreihe: Runde 4
Von den Grundlagen der klinischen Bewertung im Allgemeinen bis hin zur Datensuche und -erhebung: Wir konnten Ihnen im Rahmen unserer Experten-Videoreihe bereits viele Einblicke in die wichtigsten Themenfelder rund um MDR und Co liefern. In unserer letzten Folge sprachen wir darüber, was klinische Daten eigentlich sind und aus welchen Quellen diese bezogen werden können. Heute beschäftigen wir uns damit, wie diese Daten im Rahmen der klinischen Bewertung verarbeitet werden – und vor allem von wem.
Unser Expertenteam

Prof. Michael Imhoff
Prof. Michael Imhoff ist Chirurg und Intensivmediziner. Er hat lange Zeit als Oberarzt eine Intensivstation geleitet und sich über Statistiken medizinischer Informatik und Statistik habilitiert. Er arbeitet seit langer Zeit als freiberuflicher Autor klinischer Bewertungen und ist der Medical Clinical Director von qtec.

Dr. Jens-Uwe Hagenah
Dr. Jens-Uwe Hagenah ist promovierter Physiker und hat über 30 Jahre bei einem norddeutschen Medizinprodukte-Hersteller in den Bereichen Entwicklung und Clinical Affairs gearbeitet. In den vergangenen 10 Jahren war er für klinische Bewertungen und die zugehörigen Prozesse verantwortlich.
Medical Writer & Co: Wer erstellt eigentlich die klinische Bewertung?
Genau diese Frage – und noch viele weitere – beantworten wir Ihnen in unserem 4. Interview. Sie möchten endlich in die Welt der klinischen Daten und Co eintauchen? Unser aktuelles Experten-Video sehen Sie hier:
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Mehr InformationenDie Tücken der klinischen Bewertung
Mit der Einführung der MDR ist die klinische Bewertung von Medizinprodukten deutlich anspruchsvoller geworden. Nutzen Sie unser Know-how und unsere umfassende Expertise für die Erstellung Ihrer klinischen Bewertung. Wir kennen uns durch unsere jahrelange Erfahrung bestens aus im Dschungel der Regularien.
Wir sind für Sie im Einsatz.
Konnten Sie nicht allen Ausführungen folgen oder sind Sie bezüglich einiger Begrifflichkeiten unsicher? Kein Problem. Hier finden Sie das Interview zwischen Prof. Dr. Imhoff und Dr. Jens-Uwe Hagenah zum Nachlesen:
Dr. Jens-Uwe Hagenah: In dieser Folge unserer Reihe über klinische Bewertungen wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, wer macht eigentlich klinische Bewertungen und wer sind die anderen Beteiligten? Ich möchte Ihnen wie immer Prof. Michael Imhoff vorstellen. Ich bin Jens-Uwe Hagenah. In unserer letzten Folge hatten wir uns mit der Frage beschäftigt, was sind eigentlich klinische Daten? Und heute geht es eben darum, wie sie verarbeitet werden können. Michael, Medical Writer ist so ein Begriff, der immer auftaucht, wenn es um klinische Bewertungen geht. Was versteht man eigentlich darunter?
Prof. Michael Imhoff: Man könnte darunter jemanden verstehen, der einen medizinischen Text verfasst. Allerdings gibt es, was das angeht, durchaus Vorgaben – zum Beispiel in der MEDDEV 2.7.1 Rev. 4, wo die Qualifikationen dieser Person oder Personen (wir kommen sicherlich noch darauf, dass es eher ein Team als eine einzelne Person ist) relativ detailliert mit Bildungshintergrund, Expertise und so weiter und so fort beschrieben werden. Das heißt, der Medical Writer oder die Medical Writer sind Personen, die bestimmte Qualifikationen erfüllen müssen.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Ist das eine Frage der Rechtschreibung oder müssen sie in der Lage sein, fachlich das Produkt zu beurteilen, über das sie schreiben?
Prof. Michael Imhoff: Rechtschreibung hilft, allerdings gibt uns da ja die Textverarbeitung durchaus Hilfsmittel an die Hand. Viel wichtiger ist deswegen zum einen, dass diejenigen, die eine klinische Bewertung verfassen, das Produkt und dessen Anwendung, die sie bewerten, verstehen. Zum anderen gibt es auch ganz klare Anforderungen an die methodische Kenntnis, also Literaturanalysen, Analysen von PMS-Daten und Ähnlichem, regulatorische Kenntnisse – all das muss in der Gruppe der Medical Writer abgebildet sein.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Du bist ja selber Medical Writer. Würdest du sagen, dass du in der Lage sein musst, für jedes dieser Produkte, die du beschreibst, das in Tiefe zu machen? Oder hast du auch die Möglichkeit, auf externe Expertise zuzugreifen?
Prof. Michael Imhoff: Das hängt wie gesagt immer vom Produkt ab. Dadurch, dass ich eben selbst als Mediziner mit zwei Facharzt-Qualifikationen und einem gewissen wissenschaftlichen Hintergrund schon ein relativ breites Spektrum – auch dadurch, dass ich seit vielen Jahren klinische Bewertungen schreibe – habe, ist es so, dass ich selbst, aber vor allen Dingen auch das Team, die meisten Fragestellungen ohne externe Expertise beantworten kann. Allerdings wenn es zum Beispiel um sehr spezielle Fachbereiche geht, wie für mich den Bereich der Neonatologie, lasse ich dann auch gerne die Finger davon. Da habe ich zum Beispiel einen Kollegen an einer Universitätsklinik, den ich immer fragen kann und der dann, wenn offene Fragen sind, die Expertise zusteuert. So haben wir dann eben auch ein Netzwerk von medizinischen Expertinnen und Experten, die uns unterstützen, wenn es eben in sehr spezielle Fragestellungen geht.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Und bei der Anwendung des Produktes ist dann schon auch die eigene Erfahrung wichtig?
Prof. Michael Imhoff: Ja, es hilft ungemein zu wissen, worüber man redet und auch ein Verständnis dafür zu haben, welche Art der Anwendung vorliegt. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sagen, es ist für den durchschnittlichen Kliniker, der die Hands-on-Erfahrung mit einem Produkt hat, häufig sehr schwierig, diese Erfahrung zu übersetzen in das, was in einer klinischen Bewertung auch formal verlangt wird, so dass es sich bei uns sehr bewährt hat, dass wir als Team für das Medical Writing und für die Analyse dann direkt mit den klinischen Experten sprechen, aber der klinische Experte selbst nicht gezwungen ist, jetzt beispielsweise einen Teil der klinischen Bewertung selbst zu verfassen.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Weil er eben in der Frage der regulatorischen Anforderungen an die klinische Bewertung nicht so bewandert ist?
Prof. Michael Imhoff: Ja.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Klinische Daten kommen ja häufig aus der Literatur. Die Qualifikation, Literatur objektiv zu suchen, gehört auch dazu? Wie kann die erworben werden oder ist das etwas, was typischerweise dann als Dienstleistung in Anspruch genommen wird?
Prof. Michael Imhoff: Wir haben den Luxus, dass wir ausschließlich erfahrene Expertinnen und Experten im Bereich Clinical haben, die eben auch schon aus ihren früheren Berufserfahrungen tiefe Expertise in der Literaturarbeit haben. Deswegen haben wir die Notwendigkeit, zusätzlich externe oder auch interne Dienstleistungen für die reine Literaturarbeit in Anspruch zu nehmen, nicht. Allerdings gibt es Situationen, wo man sich dann schon denkt: Vielleicht sollte man einen Bibliothekar haben, der einem da weiterhelfen kann – weniger inhaltlich, als was die reine Arbeitsbelastung angeht. Aber es ist sicherlich erforderlich, dass wenn man damit neu anfangen will, man sich entsprechende Erkenntnisse im Bereich der Handhabung von Literaturdatenbanken und dem Aufbau und der Auswertung von Literatursuchen erwirbt – auch das ist etwas, wo es ja entsprechende Schulungsangebote gibt.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: In welcher Literaturdatenbank kann ich erfahrungsgemäß mit einer hohen Trefferquote zu meinem Thema arbeiten?
Prof. Michael Imhoff: Wir benutzen in der Regel zwei Datenbanken, die auch, wenn man sich zum Beispiel systematische Literatur-Reviews anguckt, immer an erster Stelle stehen: Das sind MEDLINE mit dem Interface PubMed und die kommerzielle Embase-Datenbank. Damit kann man eigentlich für die Medizin 95 bis 99 Prozent aller wirklich auch im entferntesten relevanten Publikationen finden.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Die Beurteilung, ob diese Datenbank geeignet war oder nicht – das ist dann etwas, das auch im Rahmen der Literatursuche angeguckt wird?
Prof. Michael Imhoff: Richtig. Wobei man ganz ehrlich sagen muss, wenn man die Kombination aus MEDLINE PubMed und Embase benutzt, habe ich es noch nie erlebt, dass da irgendeine Nachfrage gekommen ist, dass diese Datenbank unter Umständen nicht geeignet sein könnte. Allerdings müssen wir auch sagen, wenn wir sehr exotische Produkte nehmen oder Produkte, die Hilfscharakter haben, wo es also wenig Grund gibt, überhaupt eine wissenschaftliche Untersuchung zu machen, dann sehen wir uns selbst manchmal auch gezwungen, auf solche Literaturquellen wie Google Scholar auszuweichen, was aber auch wegen der schlechten Suchsyntax die absolute Ausnahme ist.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Der Literatursuchende und seine Qualifikation zu beurteilen, ob die betreffende Literatursuche vollständig war, das ist eine Qualifikation, die dann dort niedergelegt ist?
Prof. Michael Imhoff: Richtig. Das ist das eine. Das zweite – das ist bei uns der Fall – ist, dass wir die Literatursuchen typischerweise im 4-Augen-Prinzip machen. Das heißt, die Medical Writerin oder der Medical Writer und ich besprechen gemeinsam, gerade wenn es sich für uns um neuere Produkte handelt, wo wir noch nicht so häufig die klinischen Bewertungen gemacht haben, dann besprechen wir gemeinsam die Strategie der Literatursuche, zum Beispiel anhand der Zweckbestimmung oder der klinischen Claims, die der Hersteller macht. Dann entwickelt die Writerin / der Writer die Literatursuche, die Suchbegriffe, die Suchphrasen und schließlich besprechen wir nochmal gemeinsam die entwickelten Suchen, bevor dann die Datenbankabfragen wirklich durchgeführt werden und die Datenbankauswertung stattfindet.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Wenn man in die MEDDEV 2.7.1 guckt findet man ja auch einen Hinweis darauf, dass die Beurteilung von wissenschaftlichen Arbeiten mit zur Qualifikation gehört. Das heißt, wer steuert das Wissen darüber bei, ob eine bestimmte Studie geeignet ist, die in der Studie gestellte Frage zu beantworten?
Prof. Michael Imhoff: Zum einen ist es so, dass wir natürlich erst mal einen mehrstufigen Auswahlprozess haben. Wir wählen also auf der Titelebene, auf der Abstractebene, auf der Volltextebene aus, ob ein Artikel überhaupt relevant sein kann, ob überhaupt das Thema, das uns interessiert, darin behandelt ist, ob die Patientengruppe darin abgebildet ist – im Zweifelsfalle auch wieder im 4-Augen-Prinzip. Das ist in der Regel nicht so, dass das eine Person ganz alleine macht. Damit haben wir auch eine höhere Treffsicherheit. In der Volltextanalyse, wenn wir uns den Artikel heranziehen und komplett durchlesen, gibt es dann ganz klare Vorgaben der wissenschaftlichen Qualität. Dadurch, dass alle unsere Medical Writer wissenschaftliche Erfahrungen haben – es sind alles promovierte Naturwissenschaftler – haben sie schon das Handwerkszeug des eigenständigen wissenschaftlichen Arbeitens und dementsprechend werden auch die Kriterien, die auch zum Beispiel teilweise in den Guidance-Dokumenten vorgegeben werden, abgearbeitet und danach die Studien bewertet. Im Hintergrund benutzen wir immer als Fallback das Cochrane-Handbuch, das zwar für die klinischen Bewertungen meist zu umfangreich in seiner Methodik ist und auch manche Aspekte, die gerätespezifisch sind, nicht vernünftig abbilden kann, aber doch als Bibel der systematischen Literaturanalyse gilt – und im Zweifelsfall orientieren wir uns daran.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Das heißt, diese Qualifikation muss dann auch von einem der Beteiligten mitgebracht werden?
Prof. Michael Imhoff:Ja!
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Klinische Bewertung beschäftigt sich ja sowohl mit der Leistungsfähigkeit und dem Nutzen des Produktes als auch mit der Sicherheit. Wie ist – wenn man die Frage stellt, wer macht es eigentlich – die Anknüpfung an das Risikomanagement?
Prof. Michael Imhoff: Das hängt ein bisschen davon ab, wie der Prozess beim Hersteller ist. Wir haben im Prinzip zwei Extremsituationen – und beide sind richtig. Es gibt verschiedene Ausgestaltungen der Interaktion zwischen klinischer Bewertung und Risikomanagement. Auf der einen Seite ist das, wo der Risikomanager zu einem Ergebnis kommt und er das Ergebnis über den Zaun wirft – und gut ist. Wir verarbeiten das weiter und bekommen relativ umfangreiche Informationen aus dem Risikomanagement. Das andere Extrem ist, wo Risikomanagement und klinische Bewertung parallel laufen und sich ständig gegenseitig austauschen. In dem Moment, in dem wir Daten aus der Literatur haben, spiegeln wir diese direkt rüber zum Risikomanagement. Diese werden dort weiter verarbeitet und unter Umständen in einer gemeinsamen Diskussion zum Beispiel mit den medizinischen Experten betrachten, ob die Risiken schon adäquat abgebildet sind oder ob neue Gefährdungssituation berücksichtigt werden muss. Im Anschluss wird das Ergebnis dann wieder zurückgespiegelt. Das bedingt aber, dass hier dann hinterher auch Risikomanagement und klinische Bewertung parallel gelesen werden. Das sind die beiden Extreme. Inhaltlich ist es eigentlich immer ähnlich. Das heißt, wir gucken gemeinsam mit dem Risikomanagement, ob alles, was wir in der Literatur oder den klinischen Daten allgemein an potenziellen Risiken gefunden haben, adäquat im Risikomanagement abgebildet ist – was in der Regel der Fall ist. Oder, wenn wir ein neues Risiko finden, wie es vernünftig im Risikomanagement abgebildet werden kann. Das ist das eine. Das zweite – und das hängt auch wieder ganz stark vom Risikomanagementprozess des Herstellers und der Einbindung des klinischen Experten ab – was wir grundsätzlich machen ist, dass wir insbesondere bei Produkten, die wir zum ersten Mal betrachten oder wo der Hersteller zum Beispiel das erste mal unter der MDR die klinische Bewertung machen muss, dass wir uns dann einmal das gesamte Risikomanagement aus klinischer Sicht anschauen und gucken, ob die Gefährdungssituationen klinisch sinnvoll betrachtet sind, ob die Bewertung der Schädigungsschwere sinnvoll ist, ob das konsistent ist – das findet natürlich immer im engsten Austausch mit dem Risikomanagement statt.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Das heißt, Medical Writer, Literatursuchende und Risikomanager arbeiten zusammen und müssen qualifiziert sein. Wenn der Bericht über die klinische Bewertung erstellt wird, wo wird das dann dokumentiert?
Prof. Michael Imhoff: Das hängt ein bisschen davon ab, wie der Hersteller seine Prozesse aufgesetzt hat. Es kann sein, dass wir vollständig nach den Prozessen des Herstellers arbeiten. Es kann aber auch sein, dass wir gerade bei kleineren Unternehmen unsere eigenen Prozesse für die klinische Bewertung heranziehen. Aber prinzipiell ist es so, dass entweder im klinischen Bewertungsbericht selbst oder in Anhängen dazu die Qualifikation aller Beteiligten – das heißt auch zum Beispiel der internen und externen Reviewer – nachgewiesen werden muss, beispielsweise in Form eines wissenschaftlichen Lebenslaufes.
Dr. Jens-Uwe Hagenah: Vielen Dank. Damit haben wir die Frage „Wer macht klinische Bewertungen?“ behandelt. Die nächste Folge wird sich mit der Frage der praktischen Durchführung der klinischen Bewertung beschäftigen. Da die praktische Durchführung sehr umfangreich ist, werden wir uns in der ersten Teilfolge mit der Frage beschäftigen: Welche Vorarbeiten sind eigentlich erforderlich, bevor ich mit der klinischen Bewertung anfangen kann? Michael, herzlichen Dank.
Prof. Michael Imhoff: Ich danke auch.
Unsere Expertenreihe geht weiter
Seien Sie gespannt auf den nächsten Teil unserer Reihe. Wir drehen weitere Videos, in denen wir zahlreiche Aspekte der unterschiedlichen Medizintechnik-Bereiche für Sie beleuchten werden. Denn es gibt noch einiges, was Sie über klinische Bewertung und Co. wissen sollten. Freuen Sie sich darauf.
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