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Kombinationsprodukte mit Arzneimittel als integralem Bestandteil unter der MDR

30. Juli 2021

In unserem Artikel „Kombinationsprodukte/ Medizinprodukt & Arzneimittel“ haben wir bereits erläutert, was „Kombinationsprodukte“ sind. Dort haben wir die regulatorischen Anforderungen für die verschiedenen Kategorien von Kombinationsprodukten (1. Medizinprodukt mit Arzneimittel als integralem Bestandteil; 2. Medizinprodukt mit ergänzendem Arzneimittelanteil sowie 3. Medizinprodukt & Arzneimittel (co-packaged oder cross-labelled) betrachtet.

Lesen Sie hier unseren Blogbeitrag „Kombinationsprodukte/ Medizinprodukt & Arzneimittel“.

Da es besonders bei der Kategorie „Medizinprodukt mit Arzneimittel als integralem Bestandteil“ immer wieder zu Fragen kommt, u.a. was Artikel 117 der MDR betrifft, werden wir uns mit diesen Kombinationsprodukten im folgenden Beitrag noch einmal intensiver befassen.

Was sind „Medizinprodukte mit Arzneimittel als integralem Bestandteil“?

Von „Medizinprodukten mit Arzneimittel als integralem Bestandteil“ („Integral Drug Device Combinations“) spricht man, wenn die Hauptwirkung des Gesamtproduktes dem Arzneimittel zugeschrieben wird und Arzneimittel und Medizinprodukt dabei miteinander verbunden sind. Hierbei kann man entsprechend der Artikel 1(8) zweiter Abschnitt und 1(9) zweiter Abschnitt der MDR in folgende Subkategorien unterscheiden:

  • Produkte, die beim Inverkehrbringen als integralen Bestandteil einen Stoff enthalten, der für sich allein genommen als Arzneimittel gelten würde, vorausgesetzt, dass die Hauptwirkung des Gesamtproduktes von diesem Stoff ausgeht. Ein Beispiel für diese Subkategorie wäre ein, in ein Arzneimittel eingebetteter, einnehmbarer Sensor.
  • Produkte, die dazu bestimmt sind, ein Arzneimittel abzugeben, wobei die Komponenten ein einziges untrennbares Gesamtprodukt bilden, das ausschließlich zur Verwendung in dieser Verbindung bestimmt und nicht wiederverwendbar ist.
    Hierzu zählen beispielsweise vorgefüllte Spritzen, Autoinjektoren und gebrauchsfertig montierte Pulver-Inhalatoren, die nach Aufbrauchen aller Dosen nicht zur Wiederverwendung bestimmt sind.

Hiervon abzugrenzen sind „Medizinprodukte mit ergänzendem Arzneimittelanteil“ gemäß Artikel 1(8) erster Abschnitt der MDR, bei denen die Hauptwirkung des Gesamtproduktes von der Medizinproduktekomponente ausgeht.

Welche regulatorischen Anforderungen gelten und wie muss die erforderliche Dokumentation aussehen?

Da die Hauptwirkung des Gesamtproduktes dem Arzneimittel zugeschrieben wird, wird es gemäß der Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bzw. Verordnung (EG) 726/2004 reguliert und zugelassen. Hierfür müssen relevante Informationen zur Medizinproduktekomponente im Arzneimitteldossier verankert werden (siehe „A. Arzneimitteldossier-Anforderungen bezüglich des Medizinproduktes“).

Gleichzeitig muss aber auch die Konformität der Medizinproduktekomponente mit den Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Annex I der MDR nachgewiesen werden. Je nach Risikoklasse der Medizinproduktekomponente kann es hierfür erforderlich sein, eine Stellungnahme durch eine Benannte Stelle zu den relevanten Sicherheits- und Leistungsanforderungen („Notified Body Opinion“- kurz: „NBOp“) gemäß Artikel 117 MDR einzuholen. Dies trifft auf Produkte zu, bei denen für die Konformitätsbewertung des Medizinprodukteanteils für sich allein genommen die Involvierung einer Benannten Stelle erforderlich wäre (Klassen Is, m, r, IIa, IIb, III). Hierfür muss u.a. die GSPR-Checkliste (GSPR = General Safety and Performance Requirements; Sicherheits- und Leistungs-Anforderungen) sowie entsprechende damit verknüpfte relevante Informationen und Dokumente bei der Benannten Stelle eingereicht werden (siehe „B. Notified Body Opinion-erforderliche Dokumentation“). Der Konformitätsnachweis mit den Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß MDR kann alternativ auch durch Konformitätserklärung / CE-Zertifikat erbracht werden.

A. Arzneimitteldossier-Anforderungen bezüglich des Medizinproduktes

  • Modul 1:
    • Fachinformation: Name des Medizinproduktes, Produktbeschreibung, Gebrauchsinformation, Haltbarkeit, Lagerungsbedingungen und Materialien der einzelnen Komponenten
    • Beipackzettel: Gebrauchsanweisung
    • Etikettierung: z.B. relevante Symbole das Medizinprodukt betreffend auf der Umverpackung; ein CE-Kennzeichen sollte hier allerdings nicht erscheinen, sondern gegebenenfalls nur auf dem Medizinprodukt selbst angebracht werden
  • Modul 3.2.P:
    Produktbeschreibung des Medizinproduktes und dessen Eignung für das Kombinationsprodukt einschließlich der Sterilisation, falls zutreffend, Spezifikationen, relevante Aspekte des Behälterverschlusssystems, Herstellungsprozess einschließlich dessen Entwicklung, Validierung und Überwachung sowie Stabilität
  • Modul 3.2.A.2:
    Informationen bezüglich der Verwendung von Materialien menschlichen oder tierischen Ursprungs sowie entsprechender Risikobeurteilung (z.B. bezüglich TSE-Erregern und viraler Unbedenklichkeit)
  • Modul 3.2.R:
    • Zusammenfassende Informationen zu durchgeführten Studien (einschließlich Anwenderstudien)
    • Nachweis der Einhaltung der Anforderungen der MDR, Annex I:
      • Klasse I: (nicht eingeschlossen sind Klasse Im, s, r): EU- Konformitätserklärung oder Erklärung des Antragstellers, dass die relevanten Sicherheits- und Leistungsanforderungen (GSPR) erfüllt sind
      • Klasse Im, s, r, IIa, IIb, III: EU- Konformitätserklärung / CE-Kennzeichen oder Stellungnahme durch eine Benannte Stelle zu den relevanten Sicherheits- und Leistungsanforderungen („Notified Body Opinion“ - NBOp) gemäß Artikel 117 MDR
  • Modul 5:
    Studiendaten (einschließlich Anwenderstudien)

Die oben aufgeführten erforderlichen Informationen variieren natürlich je nach Art der Medizinproduktekomponente bzw. des Kombinationsproduktes. Die Nachweise zur Erfüllung der relevanten Sicherheits- und Leistungsanforderungen der MDR (EU- Konformitätserklärung, CE-Kennzeichen oder Notified Body Opinion) sollten, wenn möglich, direkt als Teil des Marktzulassungsantrages („MAA“) bei der zuständigen Arzneimittelbehörde wie oben beschrieben eingereicht werden. Sie können auch im Laufe des Verfahrens nachgereicht werden, allerdings kann dies dann zusätzliche Verfahrensverzögerungen in Form von "Clock Stops" zur Folge haben.

B. Notified Body Opinion-erforderliche Dokumentation

Ist es erforderlich, eine Notified Body Opinion einzuholen (gemäß Artikel 117 MDR), um die Konformität der Medizinproduktekomponente mit den Sicherheits- und Leistungsanforderungen des Medizinprodukteanteils gemäß Annex I der MDR nachzuweisen, müssen der Benannten Stelle entsprechende Informationen / Dokumente für ihre Beurteilung zur Verfügung gestellt werden. Dies können z.B. sein:

  • Rationale, die dem Reviewer hilft, das Produkt regulatorisch einzuordnen
  • Produktbeschreibung einschließlich Zweckbestimmung und Nutzergruppe, Risikoklassifizierung der Medizinproduktekomponente und Beschreibung der einzelnen Komponenten und Materialien
  • Gebrauchsinformation
  • GSPR Checkliste (GSPR = General Safety and Performance Requirements; Sicherheits- und Leistungs-Anforderungen) sowie entsprechende dazugehörige Dokumente:
    • Informationen vom Hersteller der Medizinproduktekomponente, wie z.B. QMS-Zertifizierung, Spezifikationen, Analysenzertifikate für verwendete Materialien, technische Daten, Testberichte, Risikomanagement-Dokumentation, Sterilisationsvalidierung
    • Relevante Produktinformationen für das Gesamtprodukt wie z.B. Spezifikationen, Designverifikation, Informationen zur Verpackung, Risikomanagement-Dokumentation, Biokompatibilitätsstudien, Stabilitätsstudien, Anwenderstudien, Transportstudien

Selbstverständlich muss von Fall zu Fall entschieden werden, welche Dokumente unterstützend zur GSPR-Checkliste sinnvollerweise eingereicht werden sollten. Hierbei muss es sich zwar nicht um eine komplette technische Dokumentation handeln, trotzdem müssen die entsprechenden Unterlagen in gut strukturierter und leicht durchsuchbarer Form vorliegen. Da meist keine Rohdaten erforderlich sind, reichen entsprechend zusammenfassende Berichte in der Reegel aus.

Zu beachten ist auch, dass vom Hersteller der Medizinproduktekomponente erhobene Daten (z.B. Anwenderstudien) teilweise nicht auf das Gesamtprodukt übertragbar sind. Hierbei liegt letztendlich die Verantwortung beim Antragsteller des Marktzulassungsantrages für das Gesamtprodukt.

Die Notified Body Opinion wird von der zuständigen Arzneimittelbehörde in Ihrer Bewertung des Gesamtproduktes gebührend berücksichtigt. Nach Erteilung der Zulassung durch die Arzneimittelbehörde kommt der Benannten Stelle aber keine weitere Überwachungsfunktion, z.B. in Form von Audits, zu.

 

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Welche Anforderungen gelten für bereits auf dem Markt befindliche Produkte?

Die Konformität der Medizinproduktekomponente mit den Sicherheits- und Leistungsanforderungen gemäß Annex I der MDR muss nicht rückwirkend und für bereits auf dem Markt befindliche Produkte nachgewiesen werden.

Allerdings gilt es zu beachten: sobald Änderungen an der Medizinproduktekomponente vorgenommen werden, muss auch für diese Produkte eine Bewertung bezüglich „signifikanter Änderung“ gemäß Art. 120 Absatz 3 der MDR durchgeführt werden. Dies kann zur Folge haben, dass die dann jeweils erforderliche neue oder aktualisierte EU-Konformitätserklärung, das CE-Zertifikat oder die Notified Body Opinion eingereicht werden bzw. die jeweilige Änderung entsprechend der Variation Regulation und zugehöriger Variation Guidelines bei der zuständigen Arzneimittelbehörde angezeigt werden müssen. Dies gilt auch für Produktlinien-Erweiterungen („Line extensions“).

Wann handelt es sich nun aber um „signifikante“ Änderungen? Diese Frage ist oft schwierig zu beantworten. Hierfür muss eine Beurteilung vorgenommen werden, ob die Qualität, Sicherheit oder Leistung des Kombinationsproduktes durch diese Änderung beeinflusst wird. Hierzu zählen vor allem Änderungen am Design oder der Zweckbestimmung der Medizinproduktekomponente bzw. die Einführung eines neues Medizinproduktes. Lässt sich die Frage nicht eindeutig beantworten, ob eine signifikante Änderung vorliegt oder nicht, sollte die jeweils zuständige Arzneimittelbehörde konsultiert werden.

Was können die größten Herausforderungen sein?

Die oben genannten Anforderungen stellen für viele Hersteller dieser Art von Kombinationsprodukten eine große Herausforderung dar. Für viele beginnt dieser Prozess mit der Hürde, rechtzeitig eine geeignete Benannte Stelle zu finden. Sobald diese gefunden ist, können weitere zeitliche Verzögerungen auftreten, da in den meisten Fällen Rückmeldungen sowohl von der Benannten Stelle als auch von der zuständigen Arzneimittelbehörde berücksichtigt werden müssen.

Sofern der Antragsteller des Marktzulassungsantrages nicht gleichzeitig Hersteller der Medizinproduktekomponente ist, ist es von großer Wichtigkeit, eine stete Kommunikation zwischen Antragsteller und Hersteller aufrechtzuerhalten bzw. entsprechend vertraglich abzusichern. Dies betrifft nicht zuletzt Informationen bezüglich Änderungen am Produkt sowie Anpassungen der Dokumentation.

Häufig wird die Frage gestellt, ob es nicht redundant ist, wenn sowohl Arzneimittelbehörde als auch Benannte Stelle gewisse Informationen / Daten bewerten. Doch das sollte nicht der Fall sein, da die Arzneimittelbehörde ihren Fokus vor allem auf den Arzneimittelanteil legt und die Benannte Stelle die Medizinproduktekomponente vor allem aus technischer Sicht bewertet. Es bleibt abzuwarten, wie gut dieser Prozess funktionieren wird.

qtec als Ihr Partner

Die regulatorischen Anforderungen für „Medizinprodukte mit Arzneimittel als integralem Bestandteil“ in Europa wurden hier stark vereinfacht dargestellt. Sie können im Einzelfall sehr komplex sein und für jedes Gesamtprodukt ergeben sich andere Fragestellungen, nicht zuletzt zur erforderlichen Dokumentation. Wir helfen Ihnen gerne bei der Umsetzung dieser umfassenden Anforderungen.

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Fachbeitrag von Dr. Franka Teuscher

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