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Auswirkungen der MDR auf Qualitaetssicherungsvereinbarungen| qtec-group

Auswirkungen der MDR auf Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV)

28. Oktober 2021

Qualitätssicherungsvereinbarungen (oft als QSV abgekürzt) sind häufig ein unbeliebtes Thema. Irgendwann wurde mal eine QSV abgeschlossen und unterzeichnet. Häufig ist sie dann gar nicht mehr aktuell und wird auch nicht mehr gelebt. In diesem Beitrag zeigen wir auf, weshalb eine QSV ein wichtiges und zentrales Dokument eines Herstellers ist und weshalb es sich lohnt, diese mit der MDR auf Aktualität zu überprüfen und an aktuelle regulatorische Anforderungen anzupassen.

Die QSV als zentrales Dokument des Qualitätsmanagementsystems

Hersteller von Medizinprodukten benötigen auch mit der Verordnung EU 2017/745 (MDR) weiterhin ein Qualitätsmanagementsystem (QM-System), um ihre Medizinprodukte Inverkehrbringen zu dürfen. Dieses muss gemäß Artikel 10 der MDR eingerichtet, dokumentiert, angewendet, aufrechterhalten, ständig aktualisiert und kontinuierlich verbessert werden. Die zentrale Norm für Qualitätsmanagementsysteme für Medizinproduktehersteller ist dabei die DIN EN ISO 13485:2016. In dieser harmonisierten Norm trifft der Hersteller das erste Mal auf den Begriff der Qualitätsvereinbarungen. Gemäß Punkt 4.1.5 der DIN EN ISO 13485:2016 muss ein Hersteller Lenkungsmaßnahmen einführen, wenn er beabsichtigt, einen Prozess aus seiner Organisation auszugliedern, der die Produktkonformität mit den Anforderungen an das Produkt beeinflussen kann. Dies können in der Praxis zum Beispiel die Prozesse der physischen Lohnherstellung (entweder komplett oder nur ein Teil der Herstellung) oder des Vertriebs sein. Der Hersteller ist weiterhin verantwortlich für diese Prozesse und muss daher die Lenkung der ausgelagerten Prozesse überwachen und sicherstellen. Die DIN EN ISO 13485:2016 fordert dabei ganz eindeutig, dass die Lenkungsmaßnahmen schriftliche Qualitätsvereinbarungen enthalten müssen.

Somit sollten bei einem Hersteller, der ein QM-System nach DIN EN ISO 13485:2016 vorweist, schon vor Geltungsbeginn der MDR am 26. Mai 2021 Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) in der Organisation vorliegen. Diese sollten die Pflichten, Verantwortungsabgrenzungen und Schnittstellen zwischen den Wirtschaftsakteuren regeln und schriftlich festhalten.

Unterschiedliche Zeitpunkte der QSV-Anpassungen sind möglich

Die vorliegenden QSVs gilt es nun hinsichtlich neuer MDR Anforderungen auf Aktualität zu überprüfen und anzupassen. Dabei gilt es zu beachten, dass es je nach Anforderung und Art des Medizinproduktes unterschiedliche Umsetzungszeitpunkte geben kann. In der Regel sind die Anforderungen der MDR mit der Zertifizierung des Produktes nach MDR umzusetzen und diese in der QSV zu definieren. Bei Medizinprodukten, die ein gültiges Zertifikat nach der Richtlinie 93/42/EWG (MDD) aufweisen und bei denen keine signifikanten Produktänderungen vorgenommen werden, können die Übergangsbestimmungen gemäß Artikel 120 der MDR angewendet werden. Dies bedeutet, dass der Hersteller diese Produkte auch nach Geltungsbeginn der MDR unter MDD Anforderungen in den Verkehr bringen darf. Dies ist jedoch begrenzt möglich bis zum 26. Mai 2024. Für diese „legacy devices“ gelten die MDR Anforderungen an das Produkt dann erst mit der Erstzertifizierung dieser Produkte nach MDR, so dass eine Anpassung der QSV diesbezüglich erst zu diesem Zeitpunkt notwendig sein kann.

Ausgenommen hiervon sind allerdings die unter Artikel 120 (3) der MDR genannten Anforderungen, die für jegliche Medizinprodukte umzusetzen sind, also auch für die noch unter MDD zertifizierten Produkte. Dies bedeutet, dass seit Geltungsbeginn der MDR am 26. Mai 2021 die Anforderungen der MDR an die Überwachung nach dem Inverkehrbringen (Artikel 83-86), die Marktüberwachung (Artikel 93-100), die Vigilanz (Artikel 87-92) und die Registrierung von Wirtschaftsakteuren und von Produkten (Artikel 29-31) anzuwenden sind. Diese Anforderungen sollten sich unbedingt zum jetzigen Zeitpunkt schon in der QSV widerspiegeln.

 

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Überprüfung von festgelegten Fristen in der QSV

Unter der Berücksichtigung der in Artikel 120 (3) der MDR geltenden Anforderungen sollte der Hersteller mögliche definierte Fristen in der bestehenden QSV mit seinen Partnern auf Aktualität überprüfen. Eine zentrale Fristverkürzung für den Hersteller liefert dabei der Vigilanzartikel 87 der MDR. Dieser Artikel gibt dem Hersteller nun nur noch maximal 15 Tage Zeit, ein schwerwiegendes Vorkommnis an die zuständige Behörde zu melden. Ausgenommen davon sind Todesfälle oder schwerwiegende Gefahren, für die kürzere Fristen gelten. Unter der MDD hatte der Hersteller zuvor noch die doppelte Meldefrist von maximal 30 Tagen. Es empfiehlt sich nun, vorhandene Fristen in der bestehenden QSV diesbezüglich anzupassen oder möglicherweise sogar neu einzufügen. Der Hersteller muss sicherstellen, dass er in diesen Vigilanzfällen für seine Bewertung alle benötigten Informationen oder notwendigen Zuarbeiten rechtzeitig von seinen Partnern erhält, damit er seine Meldefristen gegenüber der zuständigen Behörde einhalten kann.

Welche Aspekte gilt es noch zu berücksichtigen

Einheitliche Verwendung von Begriffen

Je nach Konstellation der Wirtschaftsakteure und Art und Umfang des ausgelagerten Prozesses im Rahmen der Lieferkette gilt es, die QSV individuell anzupassen. Generell sollte die QSV auf die neuen Begriffsbestimmungen nach Artikel 2 der MDR hin überarbeitet werden. So kommen z.B. mit den Begriffen „schwerwiegendes Vorkommnis“, „Händler“ oder „Importeur“ neue Bezeichnungen auf die Hersteller zu, die es unter MDD nicht explizit gab. Diese Begriffe gilt es in der QSV zu definieren, so dass diesbezüglich Klarheit bei allen beteiligten Partnern herrscht.

Identifizierung aller Wirtschaftsakteure

Die Rollen und Aufgaben der jeweiligen Wirtschaftsakteure sollten identifiziert und abgestimmt werden, um sie schriftlich festzuhalten. Hierbei gilt es nicht, den reinen Text aus der MDR in die QSV zu übernehmen, sondern auch hier individuell auf die jeweilige Konstellation und Art des ausgelagerten Prozesses anzupassen.

Nennung der Person Responsible for Regulatory Compliane (PRRC)

Darüber hinaus empfiehlt es sich, die neue verantwortliche Person (Person Responsible for Regulatory Compliane (PRRC)) des Herstellers unter den Verantwortlichkeiten in der QSV zu benennen, damit allen Beteiligten klar ist, an wen kritische Informationen gemeldet werden müssen. Somit kann der Hersteller sicherstellen, dass seine PRRC ihren Pflichten zur Beobachtung und Kontrolle der unter Artikel 15 der MDR genannten Anforderungen nachkommen kann.

Unique Device Identification (UDI)

Ein weiteres neues Thema ist u.a. die UDI Kennzeichnung. Bei einem ausgelagerten Prozess der Lohnherstellung empfiehlt es sich, mit dem Lohnhersteller klar abzustimmen, welche Aufgaben die UDI zu vergeben, anzubringen, zu ändern, zu registrieren, zu überprüfen hat, etc.

Auditierung durch Hersteller und dessen Benannter Stelle

Das Recht bzw. die Pflicht des Herstellers, die ausgelagerten Prozesse im Rahmen eines Audits vor Ort zu überprüfen, sollte ebenfalls in der QSV festgehalten werden. Auch die Benannte Stelle des Herstellers darf im Rahmen ihrer Überprüfungspflicht gemäß Anhang IX Kapitel I Absatz 3.3 und 3.4 der MDR die Zulieferer bzw. die Subunternehmer, die ausgelagerte Prozesse für den Hersteller übernehmen, auditieren, sogar auch in unangekündigter Form. Es empfiehlt sich, diese Anforderungen in der QSV aufzunehmen, damit der Subunternehmer dieses Recht der Benannten Stelle kennt und im Falle eines Audits entsprechen agiert. Erfahrungsgemäß wird genau diese Festlegung in der QSV von Benannten Stellen im Rahmen der Auditierung der Hersteller überprüft.

Diese aufgezeigten Aspekte sind nur eine Auswahl an generellen neuen Themen, die aus der MDR in die QSV übernommen werden sollten. Je nach Konstellation der Wirtschaftsakteure und des ausgelagerten Prozesses kommen weitere Anforderungen hinzu.

Fazit

Die Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV) sollte als geforderte Lenkungsmaßnahme zur Überwachung und Sicherstellung von ausgelagerten Prozessen vom Hersteller auf Aktualität geprüft und gemäß den neuen Anforderungen der MDR angepasst werden. Hierbei sind die Zeitpunkte der Umsetzung der unterschiedlichen Anforderungen und Medizinprodukte zu berücksichtigen. Die Anforderungen gemäß Artikel 120 (3) der MDR sollten explizit jetzt schon Bestandteil der aktuell gültigen QSV sein, da diese seit Geltungsbeginn der MDR am 26. Mai 2021 regulatorisch umzusetzen sind. Mit einer aktuell gehaltenen QSV, die die aktuellen regulatorischen Pflichten, Verantwortungsabgrenzungen und Schnittstellen zwischen den Wirtschaftsakteuren regelt und schriftlich festhält, kann der Hersteller die Einhaltung seiner Pflichten gemäß Artikel 10 der MDR sicherstellen. Oberstes Gebot ist allerdings, dass die QSV auch von allen Beteiligten gelebt wird.

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